Altschulden-Problem Hilfe für klamme NRW-Kommunen auf den letzten Wahlkampf-Drücker?

Düsseldorf · Die SPD will kurz vor der Bundestagswahl den Altschuldenfonds als Hilfe für die darbenden NRW-Kommunen schaffen. Andere halten das für „unehrlich“.

Die nordrhein-westfälischen Städte drängen auf eine belastbare Lösung ihrer Altschuldenlasten.

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Die für eine kommunale Altschulden-Lösung nötige Änderung des Grundgesetzes soll aus Sicht der SPD-Opposition in Nordrhein-Westfalen unbedingt noch in dieser Legislaturperiode erfolgen. Mit diesem Bundestag sei auf die Schnelle eine Zwei-Drittel-Mehrheit leichter möglich als im nächsten, mahnte SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott am Mittwoch in Düsseldorf kurz vor der Bundestagswahl am 23. Februar. „Dafür müssen jetzt alle intensiv werben. Je mehr Politiker aus Süddeutschland im Bundestag sitzen, desto schwieriger wird das“, analysierte Ott. „Wenn wir jetzt nicht den Kommunen helfen, führt der Frust der Bürger im Zweifel sogar zu einem Abwenden von unseren demokratischen Strukturen. Das dürfen wir nicht zulassen.“

Tatsächlich hat das inzwischen SPD geführte Bundesfinanzministerium einen Referentenentwurf für die nötige Änderung des Grundgesetzes erarbeitet, der lange fehlte, obwohl die Ampel die Altschuldenhilfe per Koalitionsvertrag angekündigt hatte. Das würde dem Bund die einmalige teilweise Schuldenübernahme ermöglichen. Derzeit ist die finanzielle Entlastung der Kommunen noch allein Ländersache. Die Ampel-Regierung hatte sich im Koalitionsvertrag 2021 vorgenommen, den Kommunen bei der Altschuldenproblematik selbst unter die Arme zu greifen, damit die Städte und Gemeinden wieder wichtige Investitionen tätigen können. Die Ausnahmeregelung sei nur einmal anwendbar, heißt es nun in dem Entwurf aus dem Haus von Finanzminister Jörg Kukies (SPD). Maximal die Hälfte der Schulden würde der Bund demnach stemmen. Zugleich sollen die Kommunen verpflichtet werden, Maßnahmen zu ergreifen, um eine neue Überschuldung zu vermeiden.

7,5 Milliarden Euro
kommen vom Land NRW

Ott forderte, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) müsse sich nun dafür einsetzen, dass dies innerhalb der nächsten Wochen bis zur vorgezogenen Bundestagswahl noch gelinge. In NRW sind besonders viele Kommunen mit hohen Altschulden belastet. Das Land hat sich inzwischen verpflichtet, ab 2025 jährlich 250 Millionen Euro zur nachhaltigen Beseitigung der kommunalen Altschulden bereitzustellen. Auf 30 Jahre wären das 7,5 Milliarden Euro. Und verwies immer darauf, dass die andere Hälfte vom Bund kommen solle. Über die kommenden 30 Jahre sollen so 7,5 Milliarden Euro zusätzliche Finanzmittel des Landes in die Kommunen fließen. Ein Beispiel: Für Wuppertal würde das rund 450 Millionen Euro bedeuten, mit denen der städtische Haushalt beim Zinsaufwand entlastet und vom Risiko möglicher Zinserhöhungen befreit würde.

Jochen Ott, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion.

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Zuletzt hatte das „Aktionsbündnis für die Würde unserer Städte“ eine aktuelle Berechnung veröffentlicht, demnach die NRW-Kommunen in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres weitere 3,02 Milliarden Euro an Kassenkrediten aufnehmen mussten. Damit sei der Gesamtberg ihrer Kassenkrediten auf 23,71 Milliarden Euro angestiegen.

Aber: Die Union und mehrere Länder hatten eine Grundgesetzänderung bisher abgelehnt – unter anderem, weil nur verschuldete Kommunen davon profitieren würden. Des öfteren hatte die CDU in NRW zuletzt deutlich gemacht, den kurzfristigen Ansatz vor der Wahl als nicht seriös zu empfinden. Als „Nebelkerze“ hatte das vor Wochen NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach gegenüber dieser Zeitung gekennzeichnet.

Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer aus dem NRW-Landtag.

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Unterstützung gibt es jetzt dafür vom grünen Koalitionspartner. „Wir haben in Nordrhein-Westfalen geliefert und unzählige Male auch SPD und FDP im Bund an ihr Koalitionsversprechen erinnert“, sagte gestern die Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer. Die „Last Minute-Hektik der SPD“ sei „unehrlich“. Schäffer: „Ihr Bundeskanzler Olaf Scholz hätte doch die Lösung für die überschuldeten Städte schon seit Langem forcieren müssen. Der Kanzler hätte auch seinen ersten Blockade-Finanzminister zur Umsetzung anhalten müssen.“ Zum jetzigen Zeitpunkt sei das „leicht als Wahlkampfshow zu durchschauen“.

Derweil unterstützt Krefelds Oberbürgermeister Frank Meyer (SPD) die Chance als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik in NRW (SGKNRW): „Bundeskanzler Olaf Scholz liefert und es bietet sich die wunderbare Gelegenheit, dass in großer Einigkeit eine Lösung der Altschuldenproblematik auf den Weg gebracht werden kann.“ Die kommunale Familie sei dankbar, dass der Kanzler Wort gehalten habe. „Jetzt ist Solidarität gefragt: Viele können profitieren, niemand hat weniger!“