Konzert in der Düsseldorfer Tonhalle Starpianist Igor Levit bietet Höhepunkt zum Schluss
Düsseldorf · Der Starpianist startet als „Artist in Residence“ in der Düsseldorfer Tonhalle mit Beethovens drittem Klavierkonzert und begeistert das Publikum.
(w.g.) Lange Schlangen vor der Tonhalle bei der peniblen 2G-Kontrolle, an den Garderoben und am Programmheft-Stand: Das hat man lange nicht mehr gesehen. Intendant Michael Becker gesteht bei der Begrüßung mit Blick in den Saal freudig-banges Herzklopfen: „So voll war es hier zum letzten Mal vor zwei Jahren.“ Dieser erwartungsfrohe Anblick weckt angesichts der pandemischen Lage und dem unerbittlichen Herannahen der mysteriösen Omikron-Variante allerdings durchaus gemischte Gefühle.
Der große Zuspruch zum „Sternzeichen“-Konzert erklärt sich neben dem starken Freitags-Abo wohl auch durch den Starpianisten Igor Levit, der mit dem Konzert seinen ersten Auftritt als „Artist in Residence“-Künstler der Tonhalle absolviert und als ausgewiesene Beethoven-Autorität mit dessen c-moll-Konzert ein Ereignis ersten Ranges verspricht.
Der überlange Abend beginnt mit der melancholisch eingefärbten Heiterkeit von Schuberts zweiter Symphonie in B-Dur, die Adam Fischer am Pult der schlank besetzten Düsseldorfer mit Verve und delikater Liebe zum Detail serviert; der exzellenten Bläserformation räumt er wienerische Freiheiten ein.
Dann entert Levit in lässigem Schlabberkittel und Röhrenhosen die Bühne. Während des langen Orchester-Entrées wirkt er unruhig, rutscht hin und her, rudert mit den Beinen, blickt auffordernd ins Publikum, klimpert stumm den Orchesterpart mit und dehnt die Arme hinter dem Rücken, als wolle er gleich ans Reck springen. Die Frage, ob sich darin ein Zuviel an Energie oder mangelnde Konzentration äußert, muss unbeantwortet bleiben. Denn sobald er dran ist, liefert er: Mit bemerkenswert sparsamem Pedal-Einsatz entfaltet er die ihm eigene, stets vorwärts drängende Brillanz, die an diesem Abend zwischen kernig-kompaktem Forte und schwerelos singendem Piano wenig andere Farben zulässt. Nur gelegentlich gönnt Levit sich rhetorische Akzente oder gewichtende Atempausen; er vermeidet jeden Anflug von Pathos. So ereignen sich die schnellen Sätze im Zeitraffer, hoch virtuos exerziert, aber manches schnurrt auch etwas pauschal vorbei. Dabei kommuniziert er spürbar innig mit dem Orchester, was nötig ist, denn manchmal wirkt der souveräne Adam Fischer etwas überrascht vom Fortgang des Geschehens.
Große Momente gelingen Levit in den eigenwillig, aber plausibel formulierten Kadenzen und den langsamen, nach innen gewendeten Passagen, in denen er ganz zu sich zu kommen scheint. Dieser Eindruck vertieft sich in der spieluhrhaft klingelnden Zugabe: einem aufs Milligramm dosierten Walzer aus Schostakowitschs „Puppentänzen“.
Wer glaubt, damit den Höhepunkt des Abends erlebt zu haben, wird nach der Pause überrascht: Mit Beethovens Achter gelingt Fischer und den auf der Stuhlkante musizierenden Düsseldorfer Symphonikern eine packende, gewitzte und stilistisch mustergültige Interpretation, die den leider schon dezimierten Saal zu Beifall hinreißt.