Das LKA stockt auf Kinderporno-Fahnder in NRW sehr gefragt

Düsseldorf · Erstmals stellt das LKA in NRW in Kinderporno-Ermittlungen auch Nicht-Polizisten ein, weitere neue Stellen sollen kommen. Dringend notwendig, wie der aktuelle Fall aus Wuppertal zeigt.

 Sven Schneider, Leiter der Zentralen Auswerte- und Sammelstelle Kinderpornografie (ZASt) beim LKA, mit einer Ermittlerin bei der Auswertung.

Sven Schneider, Leiter der Zentralen Auswerte- und Sammelstelle Kinderpornografie (ZASt) beim LKA, mit einer Ermittlerin bei der Auswertung.

Foto: Juliane kinast/Juliane Kinast

Die 50 Datenträger mit großen Mengen Kinderpornografie, die Ende vergangener Woche bei einem 83-jährigen Wuppertaler entdeckt wurden, sind nur eine weitere dicke Schippe, die auf den gigantischen Datenberg der NRW-Ermittler geschaufelt wurde. Genau wie der Fall Lügde. Mehrere tausend Terabyte liefen allein 2018 bei der Polizei im Land auf, die von Spezialisten ausgewertet werden müssen. Und das so schnell wie möglich, denn immer werden Hinweise gesucht, „ob ein Missbrauch noch andauert“, erklärt Kriminalrat Sven Schneider, der beim Landeskriminalamt die Zentrale Auswerte- und Sammelstelle Kinderpornografie (ZASt) leitet.

Er selbst vermeidet den Begriff Kinderpornografie wenn möglich, spricht eher von „Missbrauchsabbildungen“. Denn hinter jedem Bild, das in Chats, über soziale Medien oder im Darknet geteilt und getauscht wird, steht ein erniedrigtes, ausgebeutetes, misshandeltes Kind. Ein Kind, das womöglich noch befreit werden kann. Dafür braucht Schneider angesichts wachsender Fallzahlen und Datenmengen mehr und mehr Unterstützung. Erstmals werden jetzt auch Nicht-Polizisten in NRW eingestellt, um im Datenwust nach den grausamen Fällen zu suchen. Und Schneider war überrascht: Er hat mehr gute und motivierte Menschen gefunden, als aktuell eingestellt werden können. Was sich gut fügt, denn aus dem Innenministerium wurden schon die nächsten 20 neuen Stellen in Aussicht gestellt.

Hinter der Aufstockung steckt der Plan, das Sortieren und Bewerten von kinderpornografischem Material künftig beim LKA zu zentralisieren, damit es von Spezialisten mit bester Technik und nach einheitlichen Standards bearbeitet wird. Neben dem Personal werden dazu aktuell Datenleitungen aufgebaut, damit die Polizeibehörden im Land ihre Datenasservate auf einen LKA-Server hochladen und dort mit den ZASt-Ermittlern teilen können – bisher fahren Kuriere noch mit Festplatten durch die Gegend.

Datenmenge ist häufig groß: „Das sind Jäger und Sammler“

Der aktuelle Fall aus Wuppertal verdeutlicht, vor welchen Herausforderungen das LKA bei seinem Vorhaben steht. 50 Festplatten bei nur einem Verdächtigen seien nicht wenig, sagt Schneider, aber auch nicht vollkommen ungewöhnlich. „Das sind Jäger und Sammler“, erklärt er. Bessere, aber immer günstigere Technik, größere Speicherkapazitäten und die schnellere Datenübertragung machten es den Tätern leichter, ihre Bilder zu tauschen. Und das ist Kinderpornografie meist: ein Tauschgeschäft unter Gleichgesinnten. Nur etwas mehr als die Hälfte habe dabei pädosexuelle Neigungen, zititert Schneider aus Studien, andere seien einfach unorientiert, viele fänden Gefallen an Gewalt und Machtausübung. Wichtig ist dem ZASt-Leiter, dass es hier nicht um passive Konsumenten geht, sondern immer um aktive Straftäter: „Man guckt sich einen Missbrauch an. Und die Nachfrage regelt das Angebot.“

Besonders schnell müssen die LKA-Fahnder sein, wenn Meldungen aus den USA über das Nationale Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder (Ncmec) hereinkommen: Innerhalb von sieben Tagen müssen sie die IP-Adresse zurückverfolgen, um so eine Chance zu haben, einen Kinderschänder zu stoppen. Danach werden diese Daten nach geltendem deutschen Recht gelöscht. 2017 gab es 8400 Verdachtsmeldungen, denen nicht nachgegangen werden konnte, weil die IP-Adresse verloren war, verdeutlicht Schneider.

Aber auch nach einer Beschlagnahmung in Deutschland ist das Ziel, rasch Hinweise auf einen andauernden Missbrauch zu finden. Zunächst, so Schneider, werde das Datenmaterial kopiert; die Originaldatenträger wandern in die Asservatenkammer. „Dann werden die Daten sortiert.“ Alle Bilder werden mit den bekannten Kinderpornos in einer Datenbank des Bundeskriminalamtes abgeglichen. Die Treffer wandern auf eine „Black List“ (schwarze Liste), alle unbedenklichen Bilddateien auf die „White List“ (weiße Liste). In einen dritten Ordner kommen „alle Bilder, die wir nicht kennen“, sagt Schneider. Und jedes einzelne von ihnen müsse von einem Spezialisten angeschaut werden.

Bislang, erklärt der ZASt-Leiter, schaffe es etwa die Software zur Gesichtserkennung nur auf eine Erfolgsquote von 30 bis 40 Prozent. „Damit lassen wir zu viel liegen“, sagt Schneider. „Und ich denke, das wird auch noch einige Jahre so bleiben.“ Ohne das menschliche Auge kommt sein Dezernat nicht aus. Und davon braucht es eben mehr.

Erst Missbrauchsbilder, dann das Bewerbungsgespräch

Ohnehin ist die Fluktuation in der ZASt angesichts der hohen psychischen Belastung für die Ermittler schwer planbar. Es gebe Kollegen, berichtet Schneider, die nach kurzer Zeit abbrechen. „Selten, aber es gibt sie.“ Der dienstälteste Fahnder sei seit sieben Jahren dabei, obwohl er selbst Kinder habe – und er wolle bleiben. „Er betreut bei uns auch die Schulfahndung“, so Schneider: Wenn die Fahnder auch im Austausch mit anderen Landeskriminalämtern sowie dem BKA in einem Missbrauch-Verdachtsfall nicht weiterkommen, werden Opferbilder an die Schulen geschickt mit der Frage an die Lehrer, ob sie das Gesicht kennen. „Das führt in 50 Prozent der Fälle zum Erfolg“, so der Dezernatsleiter. Wie 2016 in Leverkusen, wo ein 40-Jähriger festgenommen wurde, der über Jahre den Missbrauch seiner kleinen Tochter gefilmt hatte. Für das Mädchen endete der Horror. Solche Erfolge, erklärt Schneider, seien für seine Truppe hochmotivierend.

Trotzdem hat ihn überrascht, dass er für die 24 aktuell zu vergebenden Stellen 150 Bewerbungen erhalten hat – von Steuerfachangestellten, Volljuristen, Medienwissenschaftlern, mal Anfang 20, mal Ende 50. Auf die Frage, ob man diesen Kandidaten gleich nach dem Bewerbungsgespräch Kinderporno-Bilder gezeigt habe, antwortet Schneider: „Davor!“ Er musste schließlich genau wissen, ob jemand die Belastbarkeit mitbringt, die für die ZASt unabdingbar ist. Und: Teil des Auswahlverfahrens war ein psychologischer Test, um herauszufinden, ob ein Bewerber am Ende nur Kinderporno-Ermittler werden will, um Kinderpornos zu sehen.

Lange, so Schneider, war der Deliktsbereich „im Verborgenen, ein gewisses Tabuthema“. Dass er jetzt keinerlei Bedenken habe, auch die nächsten 20 Stellen noch schnell zu besetzen, zeige: „Wir sind auf einem guten Weg in NRW. Wenn auch vielleicht ein bisschen zu spät dran.“ Aber das ist der Kampf gegen Kindesmissbrauch wohl leider immer.