Warnzeichen sollen früher erkannt werden Kindesmissbrauch: Experten in NRW fordern Datenbank für Verdachtsfälle

Düsseldorf · Die „Bosbach-Kommission“ legt Vorschläge für besseren Kinderschutz in NRW vor: Mehr Personal, bessere Vernetzung.

Eine Regierungskommission unter Vorsitz des CDU-Politikers Wolfgang Bosbach hat Vorschläge für den Kampf gegen Kindesmissbrauch und -misshandlung erarbeitet.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Die Regierungskommission „Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen“ unter Vorsitz des CDU-Politikers Wolfgang Bosbach hat jetzt Vorschläge für einen wirksameren Schutz von Kindern vor Missbrauch und Gewalt vorgelegt. Einer davon: Ärzte sollen sich bei Verdachtsfällen einfacher direkt, aber auch über eine Datenbank austauschen können. Der Kinderschutzbund in NRW sieht das kritisch und fordert stattdessen mehr Ressourcen für Personal und Fortbildung.

Nach mehr als einem Jahr Arbeit hat die Kommission einen Zwischenbericht an Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) übergeben. Man habe das so rasch wie möglich tun wollen, sagte Bosbach: „Die tragischen Vorfälle in Lügde haben erneut deutlich gezeigt, wie wichtig ein ganzheitliches Präventionskonzept und ein umfassender Informationsaustausch zwischen Behörden, Institutionen und Verbänden ist.“

Laut Kommission ist oberstes Ziel, Warnzeichen schneller zu erkennen. „Die personelle Ausstattung der Behörden gefährdet jedoch die Erreichung dieses Ziels. Insbesondere die individuelle Familienhilfe erfordert einen erhöhten Zeit- und Personalansatz“, heißt es in dem Bericht. neben den Jugendämtern wird aber auch den Kinderärzten eine wichtige Funktion zugebilligt. Für sie soll es leichter werden, sich im Verdachtsfall auszutauschen, um einem „Doctor-Hopping“ – dem häufigen Kinderarztwechsel – der Eltern beizukommen. Die Experten fordern eine Datenbank, in der Verdachtsfälle verschlüsselt von den Ärzten eingepflegt werden müssen. Dies erfordere allerdings eine Änderung des Kinderschutzgesetzes. Zudem müsste es Ärzten auch erlaubt werden, sich über einen Verdacht direkt auszutauschen. Bislang geht das nicht. Ergänzt werden soll die Vernetzung der Mediziner durch einheitlich geregelte Fallkonferenzen mit Polizei, Jugendamt und Kinderschutzorganisationen – bisher darf das Jugendamt die Polizei erst bei konkretem Verdacht, nicht bei Anhaltspunkten informieren.

Der Kinderschutzbund NRW hat laut Fachberaterin Margareta Müller „eine kritische Haltung“ zu der Verdachtsfalldatenbank. Es bestehe Sorge, dass Eltern dann nicht nur „Doctor-Hopping“ betrieben, sondern einfach gar nicht mehr zum Arzt gingen. Schon jetzt gebe es für Kinderärzte die Möglichkeit, sich bei einem Missbrauchsverdacht Fachberatung zu holen und dann das Jugendamt zu informieren. Aber in der Praxis gelte: Bei den Medizinern fehle das Wissen um diese Möglichkeiten, in der Beratung und beim Jugendamt Personal. „Kinderschutz braucht viel mehr Ressourcen“, sagt Müller.

Für das Innenministerium, das selbst um mehr Polizisten und vor allem Kripo-Spezialisten kämpft, ist das nicht neu. Viele der Kommissionsvorschläge richten sich an die Ermittler: mehr Schulungen für die Vernehmung von Kindern, digitale Aktenverwaltung und eine zentralisierte Auswertung digitaler Asservate für eine Beschleunigung der Verfahren etwa. Der Bericht enthalte „einige interessante Ideen“, so ein Sprecher auf Anfrage. Die Stabsstelle Kindesmissbrauch im Ministerium arbeite aber auch an eigenen Maßnahmen: „Über die Ergebnisse werden wir berichten, sobald diese spruchreif sind“, heißt es.