„Bauhaus Staircase“: Schon wieder Bezüge zur deutschen Kultur auf einer OMD-Platte. Warum ziehen Sie nicht gleich hierher?
Andy McCluskey (OMD) „In Düsseldorf hatte ich den schönsten Tag meines Lebens“
Interview | Düsseldorf · Die 80er-Jahre-Helden OMD veröffentlichen ein neues Album und gehen auf Tournee. Sänger Andy McCluskey spricht über sein Faible für deutsche Kunst und eine mysteriöse Nachtwanderung durch Düsseldorf.
Den ersten Verweis auf deutsche Kultur im Werk der Synthiepop-Band OMD findet man bereits im Jahr 1980. Damals nannten sie ihr Album „Organisation“, und der Titel bezog sich auf den Namen der Band, in der Florian Schneider und Ralf Hütter gemeinsam spielten, bevor sie Kraftwerk gründeten. Seitdem veröffentlichten Orchestral Manouevres in the Dark große Hits wie „Enola Gay“, „Maid of Orleans“, „Joan of Arc“, „If You Leave“ und „So in Love“. Nun bringen sie eine neue Platte heraus, sie heißt „Bauhaus Staircase“. Wir sprachen mit Sänger Andy McCluskey (64) über das Werk und seine Liebe zum Rheinland.
McCluskey: Ich kann wegen des bescheuerten Brexit nicht nach Deutschland ziehen. Aber im Ernst: Ja, schon wieder deutsche Einflüsse auf einem OMD-Album. Ich bin Kunst-Fan. Ich hätte gerne einen Abschluss in Kunst gemacht, aber dann kam die Band dazwischen. Mich interessiert vor allem Kunst des frühen und mittleren 20. Jahrhunderts. Und natürlich liebe ich Bauhaus. Es ist keine esoterische Kunst um der Kunst willen. Sondern angewandte Kunst, praktisch und funktionell. Das macht es nur noch krimineller, dass die Nazis das Bauhaus schlossen. Totalitäre Regimes haben Angst vor Kunst. Aber unser Lied ist keine Geschichtsstunde. Es geht darum, dass man im Lockdown gemerkt hat, wie ungern unsere Regierung Geld an kreative Menschen gibt. Es hatte den Anschein, als wäre Kreativität wertlos. „Bauhaus Staircase“ ist eine Metapher für die Kraft der Kunst. Eine Kunst, die die Reflexionen anbietet über die Welt, in der wir leben.
Wenn Sie wirklich nach Deutschland ziehen würden, wäre die Stadt der Wahl Düsseldorf, oder?
McCluskey: Ja, schon seit den 1970ern. Wegen Kraftwerk natürlich, aber auch wegen Neu! und La Düsseldorf. Alle reden immer von Kraftwerk, aber Neu! waren genauso wichtig. Wir haben unbewusst die Energie dieser Band übernommen.
Wenn Sie in der Gegend spielen, sieht man frühere Kraftwerk-Musiker im Publikum stehen, die Krupps-Mitglieder Ralf Dörper und Rudi Esch... Es wirkt, als kämen Sie heim zu Freunden.
McCluskey: Als ich ein Teenager war, suchte ich etwas, das musikalisch anders war. Aber ich wollte keine Experimente um der Experimente willen. Als ich 1975 „Autobahn“ hörte, dachte ich: Wow! Und dann kamen Neu!, La Düsseldorf und Michael Rothers Soloplatten. Ich lernte Wolfgang Flür und Karl Bartos kennen, nachdem sie Kraftwerk verlassen hatten. Und ich schrieb Musik mit Karl, es war wunderbar. Mein Bandkollege Paul Humphreys war mit Claudia Brücken von der Düsseldorfer Band Propaganda zusammen. Über ihn kenne ich Ralf Dörper, der ja auch zu Propaganda gehörte. Und ich kenne Rudi Esch, weil er uns für das „Electricity“-Buch interviewt hatte… ach, da muss ich eine Geschichte erzählen.
Welche?
McCluskey: Die vom schönsten Fanboy-Tag meines Lebens.
Oh ja, bitte.
McCluskey: Ich hatte vor ein paar Jahren ein Abendessen mit Michael Rother vor seinem Konzert in Düsseldorf. Ich sagte ihm, dass mich mal ein Journalist gefragt hat, welches mein meistgespieltes Album bei iTunes sei. Ich guckte nach und sah: „Flammende Herzen“ von Michael Rother. Und ich fragte Rother, ob er gleich das Stück „Karussell“ von dieser Platte spiele. Sorry, das ist nicht Teil des Sets, antwortete er. Und als das Konzert halb vorbei war, brachte er dann doch „Karussell“, und ich schrie: „Das ist für mich!“
Super.
McCluskey: Es geht noch weiter. Nach dem Konzert fragte mich Rudi Esch, ob ich direkt ins Hotel möchte oder mitkommen wolle auf eine Mystery Tour. Nimm mich mit, sagte ich. Und wohin brachte er mich? Er hatte die Schlüssel zum Klingklang-Studio. Kraftwerk hatten es zwar längst verlassen, aber: Das war Mekka! Die Musik, die dort produziert wurde, hat mein Leben verändert.
Es gibt einen besonderen Song auf dem Album, er heißt „Anthropocene“.
McCluskey: Er ist auch für uns ein besonderer Song. Wir wollten das ganze Album so nennen, aber dann kam Grimes mit „Miss Anthropocene“ raus, und wir konnten das nicht mehr machen. Ich habe eine Passion für Fossilien und Paläontologie. Ich bin fasziniert von der Reise des Homo Sapiens. Während der Pandemie habe ich viel über die Menschen nachgedacht und wohin sie sich entwickeln. Das ist das, worüber ich Songs schreiben möchte: Alles, was eben nicht dem Rock-Klischee entspricht. Kalter Krieg, Isotope, die Moral der Dinge. Die großen Bands aus Düsseldorf haben das auch getan. Wenn wir etwas über die Evolution wissen, dann die Tatsache, dass Lebewesen nie sehr lange bleiben. Irgendwann sterben sie aus. Und auch wir werden irgendwann nicht mehr da sein. Wir sind ein Unfall, ein schöner, gesegneter Unfall. Und wir sollten uns um den Planeten kümmern, auf dem wir leben.
OMD sind in eine neue Phase ihres Werks eingetreten.
McCluskey: Unsere Kunst war am Anfang ein Selbstgespräch in einer Sprache, die sich komfortabel anfühlte. Es ging darum, den perfekten Spiegel zu gestalten, der zu uns zurückspricht. Und das ist es, was wir jetzt wieder wollen: eine Konversation mit uns selbst führen. Wir versuchen nicht, Hits zu schreiben. Wir wollen keine Plattenfirma glücklich machen. Wir wissen nämlich: Je mehr du es versuchst, desto schlechter wird die Musik.
Hatten Sie eigentlich echt mal eine Band, die Hitlers Underpantz hieß?
McCluskey: Ja, aber ich war nicht verantwortlich für den Namen. Die Band machte den größtmöglichen Progrock-Nonsens. Zum Glück sind wir bald rausgekommen aus Hitlers Unterhose.