Interview Alte Kaserne als neue Flüchtlingsunterkunft?
Krefeld. Um 10.19 Uhr am vergangenen Dienstag ging bei der Stadt Krefeld ein Fax des Landes ein, dass am selben Tag noch 150 Flüchtlinge in Krefeld untergebracht werden müssen (WZ berichtete).
Daraufhin ist die Glockenspitzhalle in Windeseile hergerichtet worden. Angesichts der Raumnot schlagen WZ-Leser die Nutzung der ehemaligen Kasernen vor. Die WZ sprach über diese Möglichkeit und weitere Herausforderungen mit Dezernent Thomas Visser.
Gibt es Überlegungen, leerstehende Kasernen als Unterkunft wieder zu nutzen?
Thomas Visser: Im Rahmen einer offiziellen Anfrage nach möglichen Standorten für Zeltstädte hat das Land von sich aus die Kaserne an der Kempener Allee ins Gespräch gebracht. Genauer gesagt, den Exerzierplatz, auf dem Zelte aufgestellt werden könnten - beheizbare Zelte mit Holzboden. Im Hinblick auf den kommenden Winter kommt man dann zwingendermaßen auf das Kasernengebäude zu sprechen.
Wäre das denn kurzfristig für diesen Zweck nutzbar?
Visser: Die Kaserne in Forstwald ist von der Lage und dem baulichen Zustand so runtergekommen, dass eine solche Nutzung in überschaubarer Zeit nicht realisierbar wäre. Zu der Kaserne Kempener Feld hingegen hat es bereits Ende des letzten Jahres ein Gespräch zwischen der BIMA als Eigentümer und dem Land gegeben. Wegen der zu erwartenden hohen Kosten ist die Idee zurückgestellt worden. Wir als Stadt versprechen uns, dass diese Möglichkeit jetzt zum Durchbruch kommt, wenn das Land die Idee selber aufgreift. Wir hören von anderen Städten, dass Schulen in den Ferien als Unterbringungsmöglichkeit in Beschlag genommen werden und man nicht weiß, ob der reguläre Schulbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Da wäre die Kasernennutzung praktikabler.
Ende der 1990er-Jahre hat sich Politik und Verwaltung gegen Massenunterkünfte ausgesprochen. Wieso?
Visser: Damals wurde kontrovers über das Thema Ghettoisierung diskutiert und wie viele Menschen man auf welcher Fläche unterbringen kann. Die zentrale Unterbringung ist zwar auf den ersten Blick logistisch und wirtschaftlich sinnvoller; andererseits war die Massenunterkunft an der George-C.-Marshall-Straße in Linn ein sozialer Brennpunkt. Bei der dezentralen Unterbringung in kleinen Einrichtungen ist die Verträglichkeit besser und die Intimität der Menschen gewahrt.
Welche Besonderheiten sind bei der Unterbringung von Menschen verschiedener Herkunft zu berücksichtigen?
Visser: Ob es nur Männer sind oder auch Frauen mit kleinen Kindern dabei sind, welche ethnische und religiöse Herkunft sie haben, was sie essen und vieles mehr. Mit genügend zeitlichen Vorlauf können wir die Namenslisten mit Hinweis auf das Herkunftsland durchschauen, um Vorbereitungen zu treffen, auch im Hinblick auf notwendige medizinische Untersuchungen. Derzeit haben wir zum Beispiel Tuberkulose-Erkrankungen und Windpocken im Blick. Neben den sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten müssen wir den Menschen aber auch verständlich machen, wieso sie beispielsweise unmittelbar nach der Ankunft von einem fremden Menschen, einem Arzt, untersucht werden müssen. Der Umgang damit ist auch für die Stadt ein Lernprozess.
Wünschen Sie sich mehr Unterstützung vom Land?
Visser: Ja. Wir haben den Eindruck, das Land hat den Ernst der Situation nicht erkannt. Dienstagmorgen kam das Fax, dass wir bis abends 150 Menschen unterzubringen haben; die kamen dann aber erst einen Tag später an. Das Thema ist doch nicht neu, deshalb muss die Zusammenarbeit besser klappen. Schließlich wird uns das Thema noch Jahre beschäftigen.