Krefed Analyse: Das Seidenweberhaus muss weg
Das ist die Gefechtslage Stand heute.
Krefeld. Es gibt zwei Perspektiven auf das marode Seidenweberhaus. Die emotionale spaltet. Ja, viele Krefelder identifizieren sich mit dem Wabenbau. Trotz seiner verkorksten Architektur und der Funktion als öffentliches Urinal und Rückzugsecke für die Krefelder Drogenszene. So sehr, dass sie als Steuerzahler eine 35 Millionen teure Sanierung in Kauf nehmen würden. Oder eine zugegeben charmante Umnutzung als Studentenstätte nach dem Konzept von Carolin Krebber. Die wirtschaftliche Perspektive verbietet solche Romantik. Die Stadt muss jeden Cent zweimal umdrehen und Krefelds City und der Theaterplatz brauchen einen Neuanfang.
Das Seidenweberhaus muss weg. Das haben sie bei der Verwaltung erkannt, Planungschef Martin Linne hat sich im WZ-Interview deutlich für einen Neubau positioniert. Voraussetzung: Der Veranstaltungsstandort muss kompensiert werden, ein hochwertiges Hotelangebot soll her, der Bürgerservice dort unterkommen. Der streitbare Unternehmer Gerald Wagener bietet all das mit seinem architektonisch interessanten Multifunktionsklotz an und findet, die Stadt könne dankbar dafür sein. Kann sie das?
Ja! Denn zumindest hat die Stadt mit den Wagener-Plänen eine Option mehr. Eine allerdings, die ungeeignet ist, Druck auf Politik und Stadtverwaltung aufzubauen. Denn das Wagener-Projekt, das er nach eigener Aussage komplett aus Eigenmitteln finanzieren will, ist noch eine Rechnung mit zu vielen Unbekannten. Aber es sagt eine Menge über Planungsfehler der Vergangenheit und das damit verbundene mangelnde Krefelder Selbstbewusstsein aus, wenn die Wagener-Befürworter von einer einmaligen Chance schwärmen.
Mal langsam. Der Komplex kann für Krefeld funktionieren. Dass eine sterile Veranstaltungslocation, wie es sie in der Region zu Dutzenden gibt, Konzerte, Kongresse und andere Veranstaltungen magnetisch in die Stadt zieht, muss zumindest hinterfragt werden. Zu den Unbekannten: Planungschef Linne behauptet, man müsse europaweit ausschreiben, Wageners Team bestreitet das.
Offensichtlich sind beide Varianten sehr vereinfacht gesprochen. An beiden haften Risiken. Wer ausschreibt, riskiert Verzögerungen durch juristische Schachzüge der Bewerber untereinander. Wer sich an einen Investor bindet, riskiert zivile Klagen gegen das Bauvorhaben. Fest steht: Wagener wird nicht in einen Wettbewerb treten. Er will Geld verdienen und dort schlägt das Herz leidenschaftlicher als für den Theaterplatz. Gut ist: Das kommuniziert er auch so.
Hinzu kommt das Rechenexempel Wageners, nachdem die Stadt nicht eine Million per anno, sondern fast drei in das marode Seidenweberhaus steckt. Er wirft der Verwaltung vor, nicht „ehrlich“ zu rechnen, kann aber selbst nur mit Schätzungen arbeiten, weil die Stadt keinen Einblick in die Bilanz gewährt. Seine Argumentation hilft ihm, denn er möchte von der Stadt als zweitem Ankermieter künftig 1,5 Millionen Euro pro Jahr Pacht.
Was wir auch nicht wissen: Welches Risiko trägt Krefelds City? Was ist, wenn ein Vier-Sterne-Hotel nicht funktioniert und die Location nicht ausreichend gebucht wird? Wagener ist Geschäftsmann, er wird die Immobilie abschreiben und verkaufen. Die steht dann auf einem Grundstück, dass Wagener in Erbpacht bekommen hat, denn einen Verkauf schließt die Kommune aus. Gut so.
Dieses Filetstück mit 12 000 Quadratmeter hat dem Vernehmen nach einen Verkehrswert von weiteren knapp 20 Millionen. Wie hoch es im städtischen Haushalt auf der Habenseite eingepreist ist, darüber bewahrt die Verwaltung auf WZ-Anfrage Stillschweigen. Zur Erinnerung: Es ist der Haushalt der Bürger, nicht der von Kämmerer Cyprian. Der Bund der Steuerzahler nennt diese Haltung befremdlich und propagiert das Recht auf Information. Demnach beugt die Stadt Informationsrecht. Wir nennen es gegenüber den Krefeldern schlicht: frech. Zur Ausschreibungsfrage heißt es lapidar: Kommt darauf an.
Wagener hat vorgelegt, bald werden die Kesselhauspläne öffentlich. Die Stadt ist Antworten schuldig, die Politik muss Fragen stellen.