Stadtplanung: Evangelischen Kirchplatz mit Leben erfüllen
Beim Verein für Heimatkunde wirbt die Architektin Claudia Schmidt für den Erhalt von Krefelds historischen Stadtkern und einen neuen Platz mit Aufenthaltsqualität.
Krefeld. Die italienische Stadt Siena ist bekannt für ihren historischen Marktplatz, die Stadt Frankfurt baut zwischen Dom und Römer einen an ihre Historie angelehnten Stadtkern aufwändig wieder nach. „Und Krefeld hat einen historischen Stadtkern noch aus dem Mittelalter, der dreidimensional gar nicht mehr zu erkennen ist“, sagt Claudia Schmidt mit Bedauern. Die Amsterdamer Architektin hat bei der Mitgliederversammlung des Vereins für Heimatkunde am Donnerstagabend das Augenmerk der mehr als 100 Gäste auf den Evangelischen Kirchplatz und damit die „Urzelle Krefelds“ gelenkt, deren Potenzial für eine identitätsstiftende Stadtplanung, aber auch Bedrohung durch die Erweiterungspläne des Einkaufszentrums Schwanenmarkt.
Schmidt beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Krefelder Grundriss nach Vagedes (1817-1819), der um den historischen Kernbereich von 1373 (Stadterhebung) herum gelegt wurde. Mit seinem klaren Raster sei der Grundriss fast identisch mit dem Bereich, den das beauftragte Büro Junker und Kruse in ihrem Einzelhandelsgutachten als Krefelds Einkaufszentrum ermittelt hat.
Der Evangelische Kirchplatz ist damit der älteste Platz der Stadt. „Was ist das für ein komischer Platz, und was tut man damit?“, fragt die Architektin zu Beginn ihres Vortrages keck in die Runde. Sie habe immer schon mal gegen diese Nachkriegsbrache fulminieren, sprich wettern, wollen. Vor allem deshalb, weil er „Glücksfall und Chance“ zugleich sei.
Anhand alter Grundrisse und historischer Ansichten lässt sie das mittelalterliche Stadtleben auf dem Schwanenmarkt wieder auferstehen. In Richtung der Alten Kirche trennte eine schmale Gasse und das querstehende Schulhaus mit Torbogen den dahinterliegenden Kirchhof vor dem Trubel des Marktplatzes ab (um 1855). Rund um den Platz standen lauter Giebelhäuser.
„Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schulhaus und damit die Begrenzung des Platzes nicht wieder aufgebaut, dafür die Brache als Parkplatz ausgewiesen“, erzählt Schmidt. 1969 erklärte die Stadt das Altstadtgebiet zum Sanierungsgebiet und riss den größten Teil der alten Häuser für den Neubau des Einkaufs- und Wohnkomplexes „Schwanenmarkt“ ab.
Die Architektin hat klare Vorstellungen davon, was einen Platz ausmacht: „Er hat Platzwände, ist überschaubar, ist von überall zugänglich, nicht von Hauptverkehrsstraßen durchtrennt, und er bietet Aufenthaltsqualität.“ Die vom Investor vorgestellten Entwürfe für die Erweiterung des Einkaufszentrums würden hingegen diese Chance vertun. Statt Gastronomie zu ebener Erde schwebe dem Investor ein sogenannter „Food Court“, eine Gastronomie-Zone in der ersten Etage und über Rolltreppe zu erreichen, vor. „Deshalb hat der Gestaltungsbeirat gefordert, dass der Eingang zur Evertsstraße verlegt wird und es auf dem Platz Gelegenheit für Gastronomie und zum Verweilen gibt.“ Gestalterische Beispiele, auch für den Evangelischen Kirchplatz, zeigt Schmidt in ihrer Präsentation (siehe Fotos).
Während sie die Fassaden von „Walbusch“ und des früheren Modehauses Greve städtebaulich für unbedeutend hält, hebt sie die Bedeutung des unter Denkmalschutz stehenden Schirmhauses Schnitzler hervor. „Das ist ein Kleinod.“ Es symbolisiere die mittelalterliche Hausparzelle und gehöre erhalten zu bleiben. Die Eigentümer des Schwanenmarktes hingegen wollen bislang höchstens die Fassade stehenlassen. Auch die geplante mehrstöckig neue Hochgarage an der Evertsstraße bereitet der Architektin angesichts ihrer Proportionen Unbehagen. „Der Gestaltungsbeirat kann das Ding nicht schaukeln, jetzt sind die Bürger gefordert“, gibt sie den Zuhörern zum Ende ihres Vortrages mit auf den Weg.