Naturschutz Artensterben: Kiebitz und Rebhuhn verschwinden aus Krefeld
Die Artenvielfalt in Feld und Flur nimmt dramatisch ab. Intensive Landwirtschaft und zunehmende Flächenversiegelung sind Gründe.
Krefeld. Die Arten der Feldflur nehmen ab — sukzessive und durch alle Arten. Botaniker klagen über den Rückgang der Pflanzenvielfalt, Ornithologen suchen Rebhuhn, Kiebitz und Feldlerche. Entomologen halten wiederum Ausschau nach Insekten. Die Jäger klagen über den Rückgang des Niederwilds.
Heute ist der Tag des Artensterbens, und davon ist Krefeld nicht verschont. Was früher Allerweltspflanzen waren, ist heute eine Rarität. „Die Kornblume kommt nicht mehr vor und der Klatschmohn ist selten geworden. In der Agrarflur geht es seit Jahren bergab, sagt Jochen Schages, Leiter der Biologischen Station in Krefeld. „Insekten stehen ganz am Anfang der Nahrungskette. Gibt es nicht genügend, können Vögel keinen Nachwuchs aufziehen.“
Die Feldlerche steht mittlerweile als hochgefährdet auf der Roten Liste. „Bei Kiebitz und Rebhuhn ist es noch dramatischer“, sagt Schages. Die Frage, die er stellt: „Tun wir alles, was wir können, um die Arten zu halten?“
Eine der Ursachen sei der Flächenverlust. „Bauen auf dem Acker vernichtet landwirtschaftliche Fläche, und die Ausgleichsmaßnahmen finden oft auch auf Ackerfläche statt. Das ist ein doppelter Verlust des Lebensraums“, sagt Schages.
Ein Förderprogramm sieht Prämienzahlung für Landwirte vor, die neue Lebensräume schaffen. Zwischenfrüchte, Flächenstilllegungen und die unangetasteten Ackerrandstreifen sind Instrumente, die noch zu wenig genutzt werden, sagt Schages. Gut wäre es, wenn sich mehrere Landwirte zusammentun. „Wenn jeder etwas Kleines macht, entsteht etwas Großes. Eventuell kann man ja ein Biotop ergänzen oder eine Verbindung zwischen Biotopen schaffen.“
Was eine Flächenstilllegung bewirken könne, zeige ein stillgelegter Acker im Latumer Bruch. „Man hat die Fläche ganz sich selbst überlassen und dort haben sich seltene Arten wie der Neuntöter angesiedelt.“
Ein Rebhuhn braucht Deckung vor Feinden, Sämereien von Wildkräutern sind wichtig zur Aufzucht der Jungtiere, Insekten bieten eiweißreiche Nahrung für die Jungen. Die Flächen dürfen aber nicht zu nass und dunkel sein. „Ein gutes Versteck entsteht auch, wenn die Landwirte den doppelten Reihenabstand wählen und damit den Tieren Schutzmöglichkeiten geben“, nennt Schages ein Beispiel für direkte Überlebenshilfe vor Ort. Sogenannte Lerchenfenster erfüllten dieselbe Funktion: „Dabei wird eine Fläche mitten im Feld unbearbeitet gelassen.“ Drumherum schieße das Getreide in die Höhe und mache das Versteck von außen unsichtbar.
Üblich sei dagegen die intensive Bewirtschaftung der Flächen. „Landwirte sind aber nicht Täter“, unterstreicht Jochen Schages. „Sie stecken in massiven wirtschaftlichen Zwängen“, sagt er.
Hochwirksame Insektizide sorgen für reiche Ernte, werden aber von den Pflanzen an Tier und schließlich Mensch weitergegeben. Mittlerweile könne man synthetische Verbindungen von Pflanzenschutzmitteln überall, auch in den Gewässern, nachweisen. „Das überträgt sich natürlich auch auf die Nahrungskette.“
Es gibt einiges, da könne man lokal nichts tun, sagt Schages. „Aber wir müssen im Rahmen der Möglichkeiten die Entwicklung stoppen oder sogar umdrehen. Rebhuhn und Kiebitz werden wir sonst in Krefeld verlieren. Die jungen Kiebitze werden in Krefeld nicht mehr groß. Es gibt alte Tiere, aber keinen Bruterfolg.“
Dass intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen Folgen haben, sieht auch Helmut Lindner, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Krefeld. Seit 26 Jahren habe er sein Revier in Gellep-Stratum, sagt Lindner, „und ich habe da noch nie ein Rebhuhn geschossen“. Trotzdem habe er nicht mehr als vielleicht drei Exemplare in seinem Revier. Er schätzt die Situation wie Schages ein: Intensive Düngung, keine Larven und Insekten — damit fehle das eiweißhaltige Futter, mit dem unter anderem Rebhühner ihre Jungen fütterten. Dass Rückzugsräume fehlten, sei „für Rebhühner dramatisch“.
Lindner beobachtet die Entwicklung mit Sorge. „Es gibt keine Stoppelfelder mehr, diesen wilden Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Heute wird sofort alles unter den Pflug genommen.“ Sein eigenes Jagdgebiet habe als bestes Fasanenrevier gegolten — bis zum Ausbau des Krefelder Hafens. Von ursprünglich 480 Hektar sei es auf 180 Hektar geschrumpft — aber das allein sei nicht der Grund für den Verlust der Arten. „Wenn man den Grund wüsste, könnte man handeln.“ Er selbst — wie viele seiner Kollegen — kümmere sich seit Jahren intensiv um den Artenschutz. „Die Hege steht im Vordergrund. Der Jäger hat bei 100 Besuchen höchstens zweimal ein Gewehr dabei.“
Der Artenvielfalt gilt auch das Interesse der Diplom-Biologin Andrea Funke in der Unteren Landschaftsbehörde der Stadt Krefeld. Sie prüft im Auftrag der Stadt, ob und inwieweit Planungen Lebensräume von Tieren und Pflanzen gefährden und kümmert sich, wenn Ersatzflächen geschaffen werden müssen. Ausgerechnet Kiebitz und Rebhuhn hatten sich beispielsweise in größerer Zahl auf dem Brachgelände an der A 44 in Fichtenhain wohl gefühlt. Für sie habe ein neuer Lebensraum geschaffen werden müssen, als Logistiker das Gelände bebauten.
Die Ursachen für einen Verlust der Arten seien komplex, Hilfestellung wie Nisthilfen für Vögel, Haus- statt Schottergärten oder ,Fledermausfenster’ umso wichtiger. „Brachflächen, hochwertige Lebensräume für Tiere und Pflanzen in der Stadt, verschwinden ja.“