Attraktiv wohnen in der Stadt

Die Architektin und Stadtplanerin Ulla Schreiber ist aus Tübingen zurückgekehrt. Die WZ sprach mit ihr über Ideen und Chancen.

Krefeld. Ulla Schreiber und Claus Hessler gefällt es gut in Krefeld. Das war nicht immer so. Als die engagierte grüne Architektin und Stadtplanerin mit ihrem Mann 2002 die Samt- und Seidenstadt verließ, um in der Universitätsstadt Tübingen die Stelle der Baubürgermeisterin zu übernehmen, war das schon länger nicht mehr der Fall. "Manchmal braucht man den Abstand, um wieder das Wesentliche zu sehen." Seit April leben die beiden wegen ihrer Freunde wieder ganz gezielt in Krefeld und haben von ihrer Wohnung im 20. Stock des Bleichpfad-Hochhauses den schönsten Blick auf und über die gesamte Stadt.

"Die größte Stärke Krefelds ist, dass sie so grün ist", sagt der Illustrator und Grafiker, der nicht nur beruflich ein gutes Auge für Farben und Details hat. "Und sie ist wirklich eine fahrradfreundliche Stadt, mit dem in Deutschland am besten umgesetzten Konzept", ergänzt die mehrfach ausgezeichnete Stadtplanerin. Krefeld habe mit seiner vielerorts besonderen Architektur und den vier Wällen viel Potenzial, das es weiter zu entwickeln gilt.

Statt neue Wohngebiete auszuweisen, setzt die inzwischen 61-Jährige auf Verdichtung. "Es gibt einen Riesenleerstand bei Wohnungen in Krefeld, die sollten attraktiver für Familien wie auch für ältere Paare gestaltet werden." Außerdem könnte man die Dächer nutzen. "Penthäuser laufen derzeit wie nichts." Aber auch die leerstehende Kaserne an der Kempener Allee böte als innerstädtische Brache die Chance, ein lebendiges, sozial ausgewogenes und ökologisch wertvolles Quartier der kurzen Wege zu entwickeln.

Bei Städtebau und Raumplanung ist Ulla Schreiber in ihrem Element. Bereits in den 70er-Jahren hat sie nach Architektur in Münster, Städtebau und Raumplanung in Aachen studiert - mit der besonderen Vertiefung im Bereich Ökologie und Soziologie. Schwerpunkt hierbei war die Bewohnerbeteiligung im Bereich Städtebau und Wohnungswesen. Das kam ihr letztendlich zupass bei den städteplanerischen Aufgaben in Tübingen.

In der baden-württembergischen Universitätsstadt hat sie zwei große neue Viertel auf ungenutzten Flächen mitentwickelt und umgesetzt. Das bekannteste ist das Französische Viertel, das allein mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde. Knapp 2500 Menschen wohnen in dem zehn Hektar großen ehemaligen Kasernengelände, nicht wenige davon finden in einem der rund 150 angesiedelten Betriebe mit ihren etwa 700 Arbeitsplätzen einen Job. Hessler: "Eine Chance, die in Krefeld beim Bau von Schicksbaum vertan worden ist."

In Tübingen seien bereits bei der Entwicklung die Bürger durch Informationsveranstaltungen einbezogen worden. "Dabei trat die Baubürgermeisterin mit Mikro vor Hunderten von Leuten wie in einer Show auf", erzählt Hessler im Rückblick. Einwände und Anregungen seien aufgenommen und bei einer zweiten Veranstaltung vorgestellt worden. Ein Blick auf die Internetseite der Stadt Tübingen, hier vor allem auf die Seite der Fachabteilung Stadtplanung, macht den hohen Anspruch der Bürgerinformation deutlich.

Nicht so in Krefeld. "Auf der Internetseite der Stadt Krefeld findet der Besucher keinen Hinweis auf den Stadtumbau West", kritisiert Schreiber und plädiert für mehr Bürgerservice.

Die neuen Pläne von Oberbürgermeister Gregor Kathstede, das Karree Ostwall, St.-Anton-, Friedrich- und Carl-Wilhelm-Straße neu zu bauen und die Verwaltung vom Konrad-Adenauer-Platz in die Innenstadt zu holen, findet die Architektin und Stadtplanerin "wunderbar". Einerseits sind die Mitarbeiter alles potentielle Kunden, anderseits könnten dadurch auch die Probleme auf dem Theaterplatz mit der dortigen Drogenszene gelöst werden. "Auf vollen Plätzen haben die Bürger nie Angst. Dazu muss man Sonntagsplätze in Alltagsplätze umwandeln", lautet einer ihrer zahlreichen pragmatischen Tipps.