Zoo Krefeld Auf Männchen Limbo kommt viel Arbeit zu

Krefeld · Der Aufbau einer neuen Schimpansen-Gruppe ist für den Zoo eine Herausforderung. Direktor Wolfgang Dreßen setzt dabei auf „wilde Diplomaten“.

Die Schimpansin Bally (r.) nähert sich mit einer Geste der Unterwerfung und Beruhigung dem Krefelder Alpha-Männchen Limbo.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Wenn Direktor Dr. Wolfgang Dreßen von „wilden Diplomaten“ spricht, hat er nicht die große Politik im Blick, sondern die Schimpansen im Krefelder Zoo. Fünf Tiere gibt es derzeit in der kleinen Gruppe, die im 1975 eröffneten Affentropenhaus lebt. Auch wenn’s dort häufig ziemlich laut wird – handfesten Streit oder gar Beißereien, die jüngst bei den verwandten Bonobos im Zoo Wuppertal für negative Schlagzeilen sorgten, kennt er aus der Krefelder Schimpansengruppe derzeit nicht. Doch an der insgesamt friedlichen Atmosphäre könnte sich etwas ändern, wenn der Aufbau einer neuen Gruppe beginnt. Deshalb haben die Vorbereitungen dazu schon längst begonnen.

Besuch bei der neuen
„Spanierin“ für Krefeld

Daniel Schmidt (29), Pfleger im Affenhaus, wird in der nächsten Woche nach Spanien reisen, wo er gemeinsam mit Biologin Cornelia Bernhardt in einem Zoo unweit von Malaga ein neues Schimpansen-Weibchen kennenlernen wird, das noch in diesem Jahr nach Krefeld umziehen soll. „Wir wollen wissen, welchen Charakter das Tier hat und wie es aufgewachsen ist“, berichtet Schmidt.

So ist es in Krefeld zum Beispiel üblich, dass er als Pfleger im Rahmen des sogenannten Medical Trainings den Tieren durch das Gitter Futter anreicht. Auf diesem Weg erhalten sie auch Medikamente wie die Anti-Baby-Pille. Funktioniert das auch mit Krefelds neuer, etwa 20 Jahre alter „Spanierin“? Wird sie sich in der Seidenstadt glatt einfügen lassen? Das wollen Schmidt und Bernhardt vor Ort herausfinden.

Bisher ist die Rangordnung in der Krefelder Schimpansen-Gruppe klar: Limbo (26) ist Chef im Ring, die Rolle des Alpha-Männchens hat er in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt von Opa Charly übernommen. Das mittlerweile 46 Jahre alte Tier, das zu der ersten Schimpansen-Gruppe im damals neuen Affentropenhaus gehörte, hat dies ohne große Gegenwehr geschehen lassen.

„Charly war nie ein starkes Alpha-Männchen, sondern ein eher unsicheres Tier“, berichtet Wolfgang Dreßen. Anders als sein Alpha-Vorgänger Yeye ließ er zum Beispiel Streitigkeiten zwischen den Weibchen seiner Gruppe einfach laufen, ging nie dazwischen. Bis zum Tod von Yeye war er jahrelang ohnehin nur die Nummer 2 in der Rangordnung. In diese Rolle hat er sich nun mit dem Aufstieg Limbos wieder eingeordnet, macht ihm den Rang nicht streitig. Im Gegenteil: Er pflegt ihm das Fell – und damit auch den sozialen Zusammenhalt in der Gruppe. Ein- und gegenseitige Fellpflege gehört zum wichtigen diplomatischen Handwerkszeug bei den Schimpansen.

Auch direkte Verwandtschaft ist wichtig. Limbo kann sich in seinem Machtanspruch nicht nur auf die eigene (Laut-)Stärke, sondern auch auf seine Mutter Lara verlassen. Die gehört zur zweiten Generation der Krefelder Schimpansen. Im Rahmen der Neuordnung der Gruppe werden sie und das Weibchen Menolly allerdings in einen englischen Zoo umgesiedelt, wo sie sich mit einem nicht-verwandten Männchen fortpflanzen sollen. Vier neue Weibchen aus anderen Zoos werden nach Krefeld kommen, um hier für Nachwuchs zu sorgen. Bleiben werden Limbo und Charly sowie das 46 Jahre alte Weibchen Bally.

Jungtiere bei den Krefelder Schimpansen hat es bis Ende der 1990er-Jahre oft gegeben: Mit 34 Geburten gab es hier eine der erfolgreichsten Zuchtgruppen Europas. Doch mit der Teilnahme am Europäischen Zuchtprogramm musste zunächst festgestellt werden, welcher Unterart die Krefelder Tiere überhaupt angehören. Genetische Untersuchungen über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren klärten zweifelsfrei, dass es sich um Angehörige der hochbedrohten westafrikanischen Schimpansen handelt. Dementsprechend kann der Zoo sich nun der Nachzucht widmen – wobei durch die neuen Weibchen Inzest vermieden wird.

Die neue Gruppe wird
behutsam aufgebaut

Der behutsame Aufbau der neuen Gruppe soll möglichst abgeschlossen sein, bevor der Bau des neuen Schimpansen-Gartens beginnt. Denn der Neubau in unmittelbarer Nachbarschaft kann zu Stress führen: Damit die Tiere künftig in das neue Außengehege gelangen können, wird ein Tunnel aus ihrem jetzigen Gehege durch den Beton hinaus ins Freie gebohrt. Während der Arbeiten, die Wochen dauern werden, müssen die Schimpansen in ihren Nachtboxen bleiben. „Umso mehr Platz haben sie dann im Anschluss“, sagt Daniel Schmidt.

Bei der Schwesterart, den Bonobos, führt derzeit die Eingewöhnung eines neuen Männchens im Zoo Wuppertal zu Ärger. Bili wurde sogar heftig ins Ohr gebissen. „Die Integration fremder Tiere in eine bestehende Gruppe von Menschenaffen geht meist nie ohne Aggressionen und Konflikte über die Bühne – im Zoo wie auch im Freiland“, sagt Wolfgang Dreßen dazu. Dabei dauere es eben nicht nur einige Tage oder Wochen, bis die Integration abgeschlossen sei.

Auch bei den Schimpansen in Krefeld erwartet er Probleme, allerdings aus einer anderen Konstellation heraus. Denn bei den Bonobos sind es die Weibchen, die starke Allianzen bilden und auch Sex als diplomatische Waffe einsetzen – oder dem nicht akzeptierten Männchen Verletzungen zufügen. Bei den Schimpansen dagegen regelt ein Alpha-Männchen in der Gruppe die Streitereien – ist es stark und erfahren, kann es eine Integration konfliktfrei regeln. Nicht nur auf Zoodirektor Wolfgang Dreßen und seine Mitarbeiter, sondern auch auf Limbo kommt also viel Arbeit zu.