Fliegen auf dem Egelsberg Die Welt aus der Luft erleben
Krefeld · Der Verein besteht in diesem Jahr 70 Jahre. Ein Grund, zu feiern. Doch die Corona-Pandemie macht einen Strich durch die Rechnung. Die Flieger nehmen es gelassen.
Die immer schmaler werdende Straße mäandert an kahlen Feldern vorbei den Egelsberg hinauf. Bald ist das Plateau erreicht. Der Flugplatz breitet sich vor den Augen des Besuchers aus und am Horizont hinter der weitläufigen Wiese erblickt man schon den Hangar. Es ist ruhig an diesem Montagmorgen im Traarer Westen. Die Startbahn ist leer. 43 Meter über NN zeigt der Tower am Rande des Feldes an. Die Segelflugzeuge und Motormaschinen stehen abgedeckt in der großen Halle. Die Saison ist beendet.
Draußen vor dem Tor steigt Ernst-Willi Bongartz noch einmal in den „Falke.“ Der Mann ist längst im Ruhestand, für ein Foto aber nimmt er gerne noch einmal Platz im Cockpit des Zweisitzers. Das Gefühl kennt er noch zu gut. Seit 64 Jahren ist er beim Aero Club Krefeld aktiv, der in diesem Herbst das 70-jährige Bestehen seit Vereinsgründung begeht. Ganz ruhig, ganz still. Die Pandemie lässt keine Sause zu. Der „Falke“, eine mit 80 PS angetriebene Maschine, ist vor 22 Jahre dazugekommen, doch spielt das Alter für viele der Segelflieger und Motorflugzeuge keine große Rolle.
Sehr beständig ist der Wert eines solchen Objektes, sehr hoch die Lebensdauer, wie auch die Leidenschaft zum Fliegen für die 200 Mitglieder. Zwar geht Bongartz mit seinen 81 Jahren nicht mehr in die Luft, das Gefühl aber wird er nie mehr vergessen, wenn er sich mit dem nur 900 Kilogramm schweren Gerät in die Lüfte erhob. Immer und immer wieder: „Es ist einfach beeindruckend und wunderschön“, erzählt der Senior und ehemalige Vorsitzende, der von 1994 bis 2005 die Hobby-Flieger am Egelsberg anführte: „Es hat etwas Befreiendes. Man hatte dort oben alle Freiheiten. Es war immer wieder schön, die Welt von oben zu sehen.“ Bis zu einer Höhe von 3600 Meter stieg Bongartz auf. Seit der Flughafen Düsseldorf aber Beschränkungen erlassen hat, müssen sich die Segelflieger mit einer maximalen Höhe von 900 Metern begnügen. Oder sie müssen sich eben spontan eine Freigabe einholen.
Der Aero Club, das sei schon eine Art Familie für viele Mitglieder, erzählt Bongartz: „Der eine steht für den anderen ein.“ Gram über die zwangsläufig verschobene Jubiläumsfeier verspürt er nicht: „Wir sind gebeutelt wie alle anderen Vereine auch.“ Nachwuchssorgen hat der Club keine. Das Durchschnittsalter liegt bei etwa 40 Jahren.
Die Faszination Fliegen lässt beim Menschen eben nie nach. Das zeigt auch ein Blick in die Geschichte: Das Fliegen, es war nach dem Zweiten Weltkrieg erst einmal verboten in Deutschland. Das hielt die Begeisterten wie Hans Blank oder Thea Weichelt aber nicht davon ab, in ihrer „Interessengemeinschaft für Segelflug“ alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um das Fliegen doch wieder zurück in die Legalität zu führen. Blank gründete dann am 7. September 1950 den Aero-Club. Atze Ahrens kam die Aufgabe zu, eine zweisitzige Schulmaschine zu bauen. Der „Bergfalke Mü13E“ entstand. Ein Jahr später nannte man das Fluggerät in „Marathon“ um. Als es zum Jungfernflug am 20. Juli 1952 ab dem Egelsberg startete, war der Verein schon 97 Mitglieder stark. Nur ein Jahr später waren bereits 1000 Flüge absolviert. Willi Kippes stellte dazu 1954 einen Rekord auf: Zwei Stunden und 52 Minuten blieb er mit seinem Segelflieger in der Luft, legte 132 Kilometer zurück. Herbert „Sepp“ Tilling brachte es zu einigen Kunstflug-Darbietungen, 1975 wurde er sogar Deutscher Meister.
Erst 1968 konnten die Flieger aus den Bauernscheunen in Traar zum Flugplatz am Egelsberg umziehen. Englische Pioniere halfen dabei, die Start- und Landebahn einzuebnen und eine Flugzeughalle zu errichten. 1973 – die Stadt beging ihren 600. Geburtstag – besuchte die Royal Air Force die Flieger vom Egelsberg. 50 000 Besucher schauten damals zu und feierten mit.
Mit der Zeit engagierte sich der Aero Club in mehreren Disziplinen: Motorflug, Motorsegler, Modellflug, Ballonfahrt. Kein Wunder, dass im Laufe der folgenden Jahre auch die nötige Infrastruktur entstand. Eine eigens betriebene Tankstelle und ein Café mit Spielplatz. Flugplatzfeste wurden eine Tradition auf dem Egelsberg. Alsbald begannen der Aero-Club und der Luftsportverein Bayer mit der Ausbildung von Flugschülern. 2005 kam es zur Vereinsfusion als Aero Club Bayer Uerdingen, seit 2016 aber ist der Konzern aus dem Namen und der Förderung wieder verschwunden.
Die Namen der Segelflugzeuge haben immer wieder die Bauweise und Liebhaberei der Besitzer auf besondere Weise ausgedrückt: Falke, Rhönsperber, Spatz, Baby Ilb oder Libelle, Mosquito und Kiwi. Wenn man jedoch heute die modernen Kohlefaser-Tragflächen in der Werkstatt am Egelsberg liegen sieht, dann haben diese mit den Anfängen nicht mehr viel zu tun. Dort wird nun in den kommenden Monaten poliert und Hand angelegt. Im März soll es für die Flieger wieder in die Luft gehen und irgendwann die Feier nachgeholt werden. Dann hoffentlich ohne das Coronavirus.