Kultur und Stadtgeschichte Tim Linde begeistert beim Treppenwitz im KWM
Krefeld · Wie sich die Stufen im Museum über die Jahre verändert haben, ist schwer vorstellbar. Umso besser ist die Musik.
Es braucht einiges an Fantasie, um sich nach den Erläuterungen von Thomas Janzen die erste Treppenanlage des Kaiser Wilhelm Museums vorzustellen. Der Kunstvermittler des Museums erklärt, dass einst von der Straße eine breite Freitreppe auf den Palast im Stil der Neorenaissance zuführte. Im Bereich des heutigen großen Schriftzugs und dem Übergang von den schwarzen zu den hellbraunen Quadern in der Fassade lag der Haupteingang des 1897 eröffneten Museums. Hinter den drei Rundbögen folgte ein wahrlich repräsentatives Treppenhaus. Die doppelläufige Kaisertreppe führte auf einem Zwischengeschoss auf eine wohl mindestens lebensgroße Statue Kaiser Wilhelms I. zu. Säulen und Bauschmuck, der an die Antike beziehungsweise Renaissance erinnert, Treppengeländer mit barocken Balustern – kein Zweifel, dass die Krefelder hier einem Kaiser huldigen und sich die Sache wohl einiges kosten ließen. Ausstellungsräume waren fast noch Nebensache im Haupttrakt des „italienischen“ Palazzos.
Für die Gäste bei der Führung im Rahmen des „Krefelder Treppenwitzes“ werden die Dimensionen und das Aussehen dieser ersten Treppengeneration jedoch nicht anschaulich; ein Plan und ein Foto aus einer Publikation des Museums hätte dagegen für Aha-Erlebnisse gesorgt. Treppengeneration zwei erhielt das Museum in den 1960er-Jahren, in denen man das Gebäude „von seiner monarchischen Attitüde“ befreien wollte. Doch die Nachkriegsarchitektur hat man inzwischen auch beseitigt.
Mit der 2016 abgeschlossenen Sanierung erhielt das Museum die Ausstattung, die für einen modernen Ausstellungsbetrieb notwendig ist. Für die Treppengeneration drei lautete die Devise, dem Gebäude eine bessere Außenwirkung zu geben. Die Fensteröffnungen des neuen Treppenhauses mit seinen zwei getrennten Treppen sollen Licht nach außen bringen und Zeichen von Leben im Museum geben.
Ganz lebendig wird es anschließend mit dem „Liederabend auf Niveau 1“, dem Niveau, das nur etwas höher als der historische Haupteingang liegt und damit durchaus korrekt bezeichnet ist. Dass man Niveau 1 auch auf den Liederabend beziehen kann, wird das Publikum auf den Papphockern im Treppenhaus bald merken. Obwohl es der erste gemeinsame Auftritt der beiden Duos, der auch Gitarre spielenden Sängerin Fee Badenius mit Jochen Reichert meist am Kontrabass sowie dem ebenfalls Gitarre spielenden Sänger Tim Linde, begleitet von Martin Scibik an den Tasten eines E-Pianos oder Akkordeons, ist, haben die vier in kürzester Zeit ein hervorragend abgestimmtes Programm auf die Beine gestellt. Es menschelt wunderbar – nicht nur wenn Linde erklärt, dass ein Stück zu 100 Prozent biographisch sei oder Badenius von ihrer Kindheit als Pferdemädchen singt. Da wird die Hackordnung unter Hühnern mit derjenigen unter Menschen verglichen, da erklingt ein humorvolles Leidenslied einer Vegetarierin mit dem Refrain „Der Geist ist willig, doch das Fleisch so zart!“. Linde fordert musikalisch „weniger Zeitgeist, mehr Freigeist!“, und lädt das Publikum ein, mit den Papphockern als Percussioninstrumenten mitzumachen. Immer gibt es viel zu schmunzeln und Gründe, sich über den Wortwitz und die sprachliche Kreativität in den Gesängen wie den Moderationen zu freuen. Die Freude, gemeinsam zu musizieren – mit einem Publikum, das sich gerne darauf einlässt, brachte auf Niveau 1 einen höchst vergnüglichen Abend für alle.