Betrügerin vor Gericht: Das seltsame Leben der Nadja L.
Mildes Urteil acht Jahre nach spektakulärem Zigarettenraub.
Krefeld. Der spektakuläre Überfall ist schon fast elf Jahre her. Doch obwohl die beiden Haupttäter rechtskräftig verurteilt wurden, stand gestern die 29-jährige Nadja L. (Name geändert) vor dem Krefelder Amtsgericht. Ihr damaliger Ehemann Mirco L. sowie ein weiterer Komplize hatten am 12. September 2003 auf der Westpreußenstraße am helllichten Tag einen mit Zigaretten vollgeladenen Laster gekidnappt.
Das Duo gab sich dabei als Zivilstreife der Polizei aus Sie zeigten dem Lkw-Fahrer einen, von Nadja L. gefälschten Polizeiausweis. Die beiden Männer lotsten den Lkw in ein Waldstück und drohten dem Fahrer, ihn umzubringen, wenn er nicht mitmache. Auch eine Waffe soll verwendet worden sein.
Abgeladen wurde der Lkw dann in einer Halle in Meerbusch — die Ladung umfasste 20.000 Packungen Zigaretten im Wert von rund 60.000 Euro. Auch hier soll Nadja dabei gewesen sein. Der Beuteanteil des Ehepaares lag bei 11.000 Euro.
Angeklagt war Nadja L. jetzt wegen mehrerer Betrügereien zugunsten ihres damaligen Ehemanns, die sie 2004 verübte. Die Schadenshöhe: rund 30.000 Euro.
Die beiden Haupttäter sowie der Vater von Mirco L. sind bereits 2007 in Krefeld zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Mirco L. erhielt siebeneinhalb Jahre. Wie sein damals mitangeklagter Vater aber berichtete, hat sein Sohn bisher nicht einen Tag im Gefängnis verbracht. Der Vorsitzende Richter will erfahren haben, dass er schwer erkrankt sei.
Der Vater sitzt derzeit als Freigänger in der Justizvollzugsanstalt Gerresheim eine über fünfjährige Haftstrafe ab. Wo sein Sohn sich aufhält, weiß er angeblich nicht. „Ich habe seit der Hauptverhandlung keinen Kontakt mehr zu ihm“, sagt er.
Nadja L. hatte sich 2005 nach Ägypten abgesetzt und wurde per internationalen Haftbefehl gesucht. Im September 2010 — die Frau war von den Pyramiden nach Kiel zurückgekehrt — wurde sie festgenommen und saß in Untersuchungshaft. In der Zwischenzeit ist sie von Mirko L. geschieden.
So ungewöhnlich der Fall, so ungewöhnlich der juristische Umgang damit. Der Richter eröffnete zwar die Verhandlung um 10 Uhr. Dann aber zogen sich Gericht, Staatsanwalt und Verteidiger Uwe Bartscher aus Kiel zu einer Vorbesprechung zurück. Die dauerte dann mit Unterbrechungen bis 12.30 Uhr.
Mit der Entscheidung, eine Geldstrafe in Höhe von 3600 Euro zu verhängen, entsprach das Gericht dem Antrag des Staatsanwalts. „Sie waren damals noch sehr jung und haben sich mit sehr falschen Menschen umgeben“, begründete der Vorsitzende die milde Strafe. Außerdem sei Nadja L. strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Als angehende Studentin der Betriebswirtschaft sei sie auf einem guten sozialen Weg.
Zivilrechtlich aber bleibe sie für die ergaunerten Summen verantwortlich. Die Strafe kann sie in monatlichen Raten zu 50 Euro begleichen.