Billigere Windeln für Senioren
Nach der Umstellung auf eine Pauschale hat sich die Versorgung verschlechtert.
Krefeld. Es ist ein Thema, das die meisten Menschen gerne verdrängen. Es geht um den Umgang mit pflegebedürftigen Menschen, um Würde und um Geld. Josef-Herbert P. (74) ist halbseitig gelähmt, inkontinent und hat eine beginnende Demenz. Bis zum 1. Juli funktionierte die Pflege von P. leidlich gut. „Dann änderte P.s Krankenkasse, die AOK, die Vergütung für Leistungserbringer, also für Apotheken oder Sanitätshäuser, die Pflegebedürftige mit Windeln und Einlagen ausstatten“, sagt Achim Lüdecke von der Diakonie. Lüdecke ist der gesetzliche Betreuer von P.
Eine Pauschale, gestaffelt nach leichter, mittlerer und schwerer Inkontinenz soll nun die adäquate Versorgung gewährleisten. Seitdem bekommt Josef-Herbert P. Windeln mit geringerer Saugfähigkeit. „Die Windeln laufen über“, sagt Lüdecke. Zweimal am Tag kommt ein ambulanter Pflegedienst zu P. Zusätzlich schaut der Altenpfleger Ulrich Mohren zweimal am Tag nach P. Die schlechteren Windeln müssten aber deutlich häufiger gewechselt werden, doch für mehr Pflegeaufwand ist kein Geld da. „Er sitzt jetzt jeden Tag zu Hause mit nassen Hosen rum, bis die Betreuung oder Pflege kommt“, sagt Mohren. „Der psychische Leidensdruck ist groß, zumal er ohnehin schon unter Depressionen leidet.“
Der Pflegedienst kostet 1100 Euro im Monat, Mohrens Einsatz wird mit 500 Euro vergütet. Die pflegerische Betreuung im Heim geriete deutlich teurer. Zum Vergleich: Ein Pflegeheim für einen Menschen mit Pflegestufe zwei koste in Krefeld zwischen 3500 und 4000 Euro. Geld, das die öffentliche Hand aufbringen müsste.
Auch ein privates Aufstocken, um sich ein besseres Produkt zu leisten, ist für P. unmöglich. „Ich weiß manchmal noch nicht mal , wie ich das Essen für ihn bezahlen soll“, sagt Lüdecke. Seine Sorge ist, dass P. sich wundliegt, wenn er ständig feuchte Windeln an hat. „Die Gefahr eines Dekubitus ist sehr hoch.“ Von der AOK fühlt er sich vertröstet. Er erhielt zwar die Adressen anderer Leistungserbringer, deren Produkte waren allerdings auch nicht zufriedenstellend, wie er versichert.
Die Einsparungen durch die Windeln seien gering. Falls P. zur Behandlung ins Krankenhaus muss, würde es dagegen deutlich teurer werden für die Krankenkasse, sagt Lüdecke. „Hier wird versucht, auf dem Rücken der Pflegebedürftigen Geld einzusparen. Ich empfinde das als bodenlose Ungerechtigkeit“, sagt Lüdecke.
Josef-Herbert P. ist kein Einzelfall in Krefeld. Wilfried Meyerling betreut eine Frau mit körperlichen und geistiger Behinderung, die harn- und stuhlinkontinent ist. Auch sie bekommt jetzt schlechtere Windeln. „Im letzten Monat habe ich die besseren Windeln von ihrem Blindengeld bezahlt. Aber das ist nicht Sinn der Sache, das Geld ist für die Teilnahme am öffentlichen Leben gedacht“, sagt er.
Auch seine Betreute hat verschiedene Produkte ausprobiert, keines brachte sie trocken über den Tag und erreichte den Qualitätsstandard wie vor der Umstellung. „Meine Forderung ist, das meine Betreute trocken liegt und vor weiteren gesundheitlichen Schäden bewahrt wird“, sagt Meyerling.
Auf Nachfrage der Westdeutschen Zeitung will sich die AOK jetzt die Situation der Betroffenen vor Ort anschauen. „Wir sind der Ansicht, das hier eine falsche Versorgung durch den Leistungserbringer vorliegt“ sagt Ellen von Itter von der AOK. In der Leistungspauschale sei auch enthalten, dass die Erbringer sich um ihre Kunden zu kümmern hätten und die Versorgung individuell abzuklären sei.
Auch sie sieht die Gefahr, das hier am falschen Ende gespart worden sei. „Wir sind sehr daran interessiert, dass keine Fehlversorgung vorliegt, weil daraus wiederum Folgeerkrankungen entstehen können.“ Die würden für die Krankenkasse teuer.
An welcher Stelle im System es hakt, ist den Betroffenen egal. Sie wünschen sich nur, dass der unwürdige Zustand, in dem sie sich befinden, aufhört. Lüdecke und Meyerling sind jedenfalls verhalten optimistisch was die Prüfung durch die Krankenkasse betrifft.