Pfelge Das Anna-Deckers-Haus schließt

Mit der Einrichtung am Jungfernweg fallen 20 Plätze in der Kurzzeitpflege weg. Stadt ist vorbereitet.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Wenn Christian Ramrath heute Abend das Anna-Deckers-Haus verlässt, fällt die Tür endgültig ins Schloss. Zum ersten Mal seit langer Zeit ist das Seniorenheim am Jungfernweg dann unbewohnt, die letzten Bewohner ziehen heute aus. Ramrath und seine Frau schließen ihre Einrichtung für Kurzzeitpflege in der Innenstadt — nach 22 Jahren und sechs Monaten (die WZ berichtete). In Krefeld fallen damit auf einmal 20 Betten für Menschen weg, die in Notfällen am Abend oder am Wochenende ganz kurzfristig einen Pflegeplatz brauchen. „Wir haben unser Pulver verschossen“, sagt Ramrath.

Nicht etwa, weil es an Bedarf mangele, im Gegenteil. Der ausgebildete Krankenpfleger prophezeit Engpässe in der Kurzzeitpflege. Während ein reguläres Seniorenheim mit 100 Betten 40 bis 50 Pflegebedürftige im Jahr neu aufnehme, gab es im Anna-Deckers-Haus monatlich 30 Neuaufnahmen im Schnitt, zählt Ramraht auf. „Wir haben das gerne gemacht, aber als Einzelkämpfer wollen wir nicht mehr“, sagt er. Die Eheleute wollen nun in ein festes Anstellungsverhältnis wechseln — weiter selbstständig zu Arbeiten hätten sie sich letztlich auch finanziell kaum mehr leisten können: „In der Kurzzeitpflege müssen wir 365 Tage im Jahr 24 Stunden verfügbar sein und Pflegepersonal bereithalten.“ 28 Kräfte seinen in Spitzenzeiten im Anna-Deckers-Haus beschäftigt gewesen, rechnet Ramrath vor. Das Problem: „Die Kurzzeitpflege kann man nicht planen, Ausfälle sind schwer zu kompensieren. Wenn Patienten doch nicht kommen oder zwischenzeitlich ins Krankenhaus müssen, bekommen wir für diesen Ausfall von der Krankenkasse keinen Cent. Wer kann es sich denn leisten, umsonst zu arbeiten?“, sagt Ramrath.

In Krefeld reißt der Wegfall von 20 Kurzzeitpflege-Plätzen ein beachtliches Loch und die Versorgungsdecke: Unterm Strich bleiben zwölf solitäre Plätze im Hansahaus sowie weitere zehn im Hülser Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Hinzu kommen derzeit 134 variable Plätze für die Kurzzeitpflege in den 25 Pflegeheimen im Stadtgebiet, die bei Bedarf aber auch für stationäre und dauerhafte Unterbringung genutzt werden können — so steht es in der vom Rat beschlossenen Pflegebedarfsplanung. „Eine Katastrophe“, prophezeit Ramrat. „Angehörige und Krankenhäuser werden sich die Finger Wund telefonieren, nur mit größter Mühe etwas finden.“

Genug, heißt es von der Stadt. „Die Auslastung der solitären Kurzzeitpflege lag in Krefeld im Jahr 2015 bei 85,9 Prozent und 2016 bei 88,7 Prozent“, sagt Wolfram Gottschalk, Leiter des Fachbereichs Soziales, weist aber auch auf „ein grundsätzliches Problem bei der Kurzzeitpflege“ hin: „Sie ist nicht so steuer- und berechenbar wie die stationäre, weshalb zu Stoßzeiten mehr Bedarf geben kann.“

Deshalb habe die Stadt bereits vor einigen Monaten alle Träger mit der Bitte angeschrieben, variable Kurzzeitpflegeplätze auch als solche zu nutzen sowie zusätzliche einzurichten. Die Diakonie biete, so Gottschalk, bis zum 31. Juli nächsten Jahres 14 zusätzliche Plätze im Seniorenheim Wilhelmshof an, „die als solitäre Kurzzeitpflegeplätze genutzt werden können“. Verschiedene Einrichtungen hätten insgesamt 26 zusätzliche eingestreute Kurzzeitpflegeplätze gemeldet. Im Frühjahr nächsten Jahres soll dann im ehemaligen Fernmeldeamt an der Moerser Straße eine Interdisziplinäres Zentrum mit 27 dauerhaften Kurzzeitpflegeplätzen eröffnen, auch an der Parkstraße in Uerdingen soll noch 2018 eine neue Einrichtung mit acht solitären Plätzen entstehen. Auch bevor es soweit sei, „müsste die Schließung des Anna-Deckers-Hauses gut zu kompensieren sein“, betont Gottschalk.

Für Christian Ramrath ist das Angebot von mehr Kurzzeitpflegeplätzen eine „Selbstverpflichtung“, aber nicht die Lösung des generellen Pflege-Problems: „Es gibt genug Einrichtungen, die teilweise leerstehen, weil das Personal fehlt“, sagt er. „Probleme des Fachkräftemangels werden nicht in Angriff genommen. Nach 22 Jahren bin ich enttäuscht von der Politik.“ Schichtdienste und Wochenendarbeit, zwölf Tage hintereinander Dienst, „Tag für Tag schlagen wir uns mit resistenten Keimen und Exkrementen herum“. Arbeitsbelastung, Freizeitausgleich, Bezahlung: „Die Rahmenbedingungen für diese schwierige Arbeit stimmen einfach nicht.“