Geburstag Will Cassel: „Für mich ist jedes Bild eine ganze Welt“
Der Künstler Will Cassel wird heute 90 Jahre alt. Er will weiter arbeiten und sagt: „Das macht das Leben voller.“
Krefeld. „Die Zeit rast dahin“, hat er auf eines seiner neuen Bilder geschrieben. Eine einfache und zutreffende Aussage, die gerade bei runden Geburtstagen eine besondere Bedeutung gewinnt. Das Bild ist Teil einer aktuellen Ausstellung von Will Cassel, der heute sein 90. Lebensjahr vollendet. Die Verfasserin dieses Textes hat den Künstler vor 20 Jahren kennengelernt, als er seinen 70. Geburtstag mit einer Ausstellung in der Mühle auf dem Egelsberg feierte. Viele Begegnungen haben seitdem stattgefunden, und so ist das von einem malerischen Garten umgebene Buschhüterhaus in Traar ein vertrauter Ort geworden.
Hier scheint die Zeit auf angenehme Weise stehen geblieben zu sein. Auf dem Tisch im Atelier stapeln sich wie immer unzählige kleine Gegenstände, von winzigen Weltkugeln bis Tierfiguren und Spielzeuge. Es sind alles Geschenke von Besuchern, die wissen, dass der Künstler diese kleinen alltäglichen Dinge schätzt. Denn im Kleinen steckt für ihn auch das Große. „Für mich ist jedes Bild eine ganze Welt“, sagt er und weist auf seine neuen Arbeiten hin, die nach wie vor aus einer ungebremsten Kreativität heraus entstehen.
Dass seine Sehkraft in den letzten Jahren nachgelassen hat, hat Cassel inzwischen akzeptiert und arbeitet jetzt langsamer. „Es verändert meine Bilder, früher waren sie mehr aus der Emotion heraus, jetzt wachsen sie langsam“, erklärt er. Die Bilder entstehen nicht nur in Etappen, sondern auch zu mehreren parallel. „Ich mache das, wozu ich Lust habe“, sagt er mit seinem für ihn typischen verschmitzten Lächeln. Die Zeichnung ist für ihn immer noch das „A und O“. Mit Feder und Tusche zeichnet er immer wieder seine geliebten Weidenbäume.
Daneben entstehen kleine Aquarelle, Acrylbilder und die technisch aufwendigen Arbeiten in Enkaustik. Zwei neue sind in diesem Jahr entstanden, ein weiteres möchte er bis zu seiner traditionellen Ausstellung im Dezember fertig haben. In diesen Bildern entfaltet sich in kräftigen Farben das „Welttheater“, ein zentrales Thema Cassels. Mit Ironie zeigt er darin die Eitelkeiten der Menschen, die alle auf der Bühne des Lebens ihr Spiel machen.
Fast noch wichtiger als seine Bilder sind für den Künstler seine Objekte. Zentrale Figur ist hier der aus weißem Gips geformte Zwerg, ein Sinnbild des Seins. „Das ist der abstrakte Cassel“, sagt er und zeigt eine Zwergenfigur, an der ein weißes, zum Kreis geknotetes Band hängt. „Mein Werk hat sich mit dem Zwerg zu einer Einheit verbunden“, betont er. So sind auch Stempel in Zwergenform Bestandteil seiner Signatur auf den Bildern. Dazu kommt die Schrift, die für den Künstler immer Bestandteil seiner Arbeiten war.
Die Texte haben sich jetzt auf Titel oder einzelne Sätze reduziert. Aus der Sicht eines langen, erfüllten Künstlerlebens heraus ist die Reduktion auf wenige wesentliche Dinge eine logische Konsequenz. Cassel, der in Dortmund geboren ist, lebt seit über 80 Jahren in Krefeld und ist mit der Stadt untrennbar verknüpft.
Außer am Wochenende fährt er noch jeden Tag in die Innenstadt, um bei einem Kaffee mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. „Ich brauche meine Krefelder“, sagt er lächelnd. Trotzdem ist er kein Lokalkünstler, sondern hat in früheren Jahren seine Kunst weltweit gezeigt. So stellte eine New Yorker Galerie seine Werke mehrfach aus.
In seiner Kunst bezeichnet er sich selbst als Einzelgänger, der sich nie einem bestimmten Trend oder einer Gruppe angeschlossen hat. Privat ist er dagegen ein Familienmensch. Seit 62 Jahren ist er mit seiner Frau Siegrun verheiratet, sie haben vier Kinder und inzwischen auch mehrere Enkelkinder. Der Geburtstag ist auf Wunsch Cassels auch ausschließlich für die Familie reserviert.
„Ich habe ein großes, rundes Leben hinter mir“, sagt er abschließend. Doch zugleich blickt er auch nach vorne: „Ich will weiter arbeiten, das macht das Leben voller.“ Dass er das noch lange kann, ist ihm zu wünschen. Alles gute zum Geburtstag, Will Cassel.