Krefeld Das Leben als Blinder in Krefeld

Der 25-jährige Frederik Störkel ist Physiotherapeut und sehbehindert. Mit der WZ spricht er über alltägliche Probleme.

Foto: Mark Mocnik

Krefeld. „Mama, was macht der Mann da mit dem weißen Stock?“ fragt der kleine Junge, als er mit seiner Mutter einem Blinden begegnet. „Pst,“ antwortet die Mutter flüsternd. „Das erklär ich dir später“. Offensichtlich fällt es ihr schwer, im Beisein des Blinden offen darüber zu reden. Der Blinde heißt Frederik Störkel, er ist 25 Jahre alt. Die WZ hat mit ihm darüber gesprochen, welche Hindernisse es im Alltag für ihn gibt. An dem Interview hat ebenfalls die Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins Krefeld, Beate Pogorzelsky, teilgenommen.

Störkel hat 2011 am Gymnasium am Stadtpark sein Abitur gemacht und anschließend eine dreijährige Ausbildung zum Physiotherapeuten abgeschlossen. Parallel zu seiner Ausbildung hat er ein Bachelorexamen für Medizinalfachberufe (Gesundheitsfachwirt) im Fernstudium absolviert.

Herr Störkel, Sie wohnen in der Innenstadt. Wie bewältigen Sie als Blinder ihre Einkäufe?

Störkel: Leider gibt es in der Innenstadt nur wenige Supermärkte. Grundsätzlich aber kann man sich als Blinder an der Kasse melden und wird dann von einem Mitarbeiter durch den Markt geführt. Das funktioniert an allen größeren Märkten, allerdings unterschiedlich gut. Größere Einkäufe oder Getränkekästen kann ich mit dem Blindenstock in einer Hand nicht tragen. Dann bestelle ich online und nutze den Lieferservice, was ganz gut klappt.

Nicht nur auf dem täglichen Weg zur Arbeit nutzen Sie den öffentlichen Nahverkehr und fahren zum Beispiel mit der Straßenbahn. Welche Hindernisse gibt es dabei?

Störkel: Zunächst einmal muss ich an einigen Haltestellen zuerst eine Fahrbahn überqueren. Dort ist es schwierig für mich festzustellen, welche Bus- oder Bahnlinie gerade ankommt. Danach muss ich die Tür finden. Beides ist nicht immer einfach und hier in Krefeld bleibt mir meist nichts anderes übrig als zu fragen. Das funktioniert in der Hektik des morgendlichen Berufsverkehrs nicht immer reibungslos. Manchmal bleibe ich einfach so lange in der Tür stehen, bis irgendjemand reagiert. Hilfreich wäre eine Ansage über ein Außenmikrofon.

Pogorzelsky: Die neuen Bahnen haben alle ein Außenmikrofon. Die werden aber leider nur selten bis gar nicht genutzt. Die SWK teilte mir aber auf Anfrage mit, dass dadurch die Anwohner belästigt würden. In den wenigen Fällen, bei denen ein Blinder auf die Bahn wartet, sollte das aber wohl kein Problem sein. Geeignet ist auch die Ansage per Knopfdruck wie am Bismarkplatz und am Bockumer Platz.

Störkel: In Mainz, wo ich meine Ausbildung gemacht habe, gab es die Ansagen regelmäßig an allen Haltestellen. In Dresden kann ein Blinder ein Gerät erwerben, so groß wie eine Zigarettenschachtel, mit dem auf Knopfdruck alle benötigten Informationen abrufbar sind.

Welche Hindernisse gibt es für Sie im Straßenverkehr?

Pogorzelsky: Auf den Leitlinien, zum Beispiel am Ostwall oder auf der Neusser Straße, stehen häufig Hindernisse. Es kann passieren, dass sie vor eine Mülltonne oder an einem Café vor einen Stuhl laufen. Außerdem gibt es immer noch zu wenig sogenannte Blindenampeln mit Akustik- oder Vibrationssignalen.

Herr Störkel, Sie haben mir erzählt, dass sie auch alleine nach Hamburg oder nach Stuttgart reisen. Wie ist die Situation auf den Bahnhöfen?

Störkel: Dort ist es besser. Die Leitlinien sind in der Regel gut. Unter den Enden der Handläufe an den Treppen gibt es Informationen in Blindenschrift über die Richtung zu den anderen Gleisen oder den Ausgängen. Schwierig ist es, die Tür zum richtigen Waggon zu finden. Da hilft oft nur fragen oder die Bahnhofsmission zu kontaktieren.

Wie kommen Sie in Ämtern und Behörden zu Recht?

Störkel: Dort gibt es mehrere Hindernisse. Es beginnt damit, im Rathaus oder im Seidenweberhaus den richtigen Eingang zu finden. Dann muss man oft eine Nummer ziehen und sieht nicht, wann man nun dran ist. Schließlich gilt es, den richtigen Schalter zu suchen. Häufig wird mir aber Hilfe angeboten. Auch die Beamten sind meiner Erfahrung nach in der Regel sehr freundlich.

Gibt es weitere Verbesserungsvorschläge, um blinden Menschen das Leben in Krefeld zu erleichtern?

Pogorzelsky: Im Stadttheater würden wir uns eine Audiodeskription wünschen, die es in anderen Häusern bereits gibt. Den Grundschulen bietet unser Blindenverein jedes Jahr eine kostenlose Information für die Klassen an. Leider haben davon im letzten Jahr nur zwei Schulen Gebrauch gemacht.