Krefeld David Nowak: „Polens Politik ist bedenklich“

SPD-Mann David Nowak verfolgt die politische Lage in Polen mit Sorge. Die dortige Regierung um Jaroslaw Kaczynski ist für ihn auf dem Weg zum totalitären Staat.

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Entmachtung von Richtern, Gleichschaltung der Justiz, Verletzung der persönlichen Freiheit: Das Jahr 2017 war in vielen Ländern ein schwieriges Jahr. Während der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit dem Referendum zur Einführung eines Präsidialsystems am 16. April 2017 mehr Macht im Land erlangte, versuchte die rumänische Regierung mit Gesetzentwürfen die Unabhängigkeit der Justiz zu gefährden.

Ein ähnliches Szenario bot sich im Dezember in Polen. Dort verabschiedete das polnische Parlamentunterhaus zwei Gesetze: Das erste befähigt das Parlament dazu, die Besetzung des Obersten Gerichtshofs zu beeinflussen. Das zweite ermächtigt die Abgeordneten, die meisten Mitglieder des Landesjustizrats zu bestimmen. Dieses Gremium schlägt in Polen wiederum die Richter vor. Aus dem In- und Ausland hagelte es für diese „Reform“ Kritik. Stimmen wurden laut, dass die Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) mit diesem Vorstoß die Justiz unter ihre Kontrolle bringen wolle.

Brüssel reagierte sofort und drohte der Regierung in Warschau mit Sanktionen. In ihren Augen versucht Polen, das Konzept eines konservativen und autoritären Staates auf Biegen und Brechen durchzusetzen. Eine gefährliche Sache, wie David Nowak, Vorsitzender der SPD Krefeld Nord, findet.

Herr Nowak, ist der polnische Rechtsstaat in Gefahr?

David Nowak: Polen ist mit „Recht und Gerechtigkeit“ sowie Jaroslaw Kaczynski auf dem besten Weg, mit demokratischen Beschlüssen die Demokratie — so wie wir sie kennen und wertschätzen — abzuschaffen. Alleine, dass die Politik nun so direkt Einfluss auf die Justiz nehmen kann, ist bedenklich. In meinen Augen sind Kaczynski und seine Gefolgsleute gefährlicher als Orban in Ungarn.

Warum ist die PiS um Jaroslaw Kaczynski in Polen so stark?

Nowak: In dem Land sind zwei Geschwindigkeiten zu beobachten: Auf der einen Seite haben wir das ländliche Polen, das sehr stark kirchlich, konservativ und von älteren Menschen geprägt ist, die überwiegend „Recht und Gerechtigkeit“ wählen. Sie sind die Stütze dieser Partei, weil Kaczynski für das ultrakonservative Polen steht. Zudem sind sie ihm dankbar, dass er die ländlichen Gebiete kultiviert hat und den Ausbau der Infrastruktur durch Straßen, Autobahnen und Bahnverbindungen stark vorantreibt.

Aber es gibt ja noch einen Gegenpol.

Nowak: Definitiv. Auf der anderen Seite haben wir die Großstädte — von Warschau, Breslau oder Danzig —, wo die Menschen liberaler und moderner sind. Sie gehen auf die Straße und demonstrieren gegen die vielen Gesetze, die Kaczynski beschließt. Es sind vor allem junge Menschen, Studenten, Intellektuelle und Start-up- Unternehmer. Denn sie erkennen, dass die PiS momentan die Demokratie dazu benutzt, den Rechtsstaat auszuhöhlen.

David Nowak, Vorsitzender der SPD Krefeld Nord

Dann ist doch alles gut.

Nowak: Nicht wirklich. Es gehen zwar nach wie vor viele demonstrieren. Aber im Vergleich zu früher habe ich eher das Gefühl, dass es abflaut. Dass viele Bürger müde geworden sind, dagegen anzukämpfen, weil sie mit ihrem Alltag beschäftigt sind. Zudem hat Kaczynski in den Augen einer großen Anzahl der Landsleute (auch seiner Kritiker) viel für ein starkes Polen getan und ihnen ein Sicherheitsgefühl vermittelt, viel in das Militär investiert und die europäische Flüchtlingspolitik unserer Bundeskanzlerin klar abgelehnt. Erinnern wir uns: Nach den Anschlägen von Paris hat Polen noch am selben Abend erklärt, dass es keinen einzigen Flüchtling aufnehmen wird. Zu unserem und meinem ganz persönlichen Bedauern hat er damit den Nerv großer Teile der polnischen Bevölkerung getroffen. Durch die Einführung eines Kindergeldes in Höhe von 500 Zloty und der Absenkung des Renteneintrittsalters hat er seine Popularität insbesondere bei der einfachen Bevölkerung noch weiter gesteigert. Momentan erreicht seine Partei in den Umfragen eine absolute Mehrheit.

Trotzdem halten Sie Kaczynski für einen gefährlichen Mann.

Nowak: Sagen wir es mal so: Wenn Kaczynski sich mit allem durchsetzt, dann wird Polen als verlässlicher europäischer Partner fallen. Eigentlich dachte ich damals kurz nach der Wahl, dass es sich hierbei um eine kurzfristige Vergewaltigung des polnischen Verstandes gehandelt hat. Aber diese Kurzfristigkeit, von der ich erst ausgegangen bin, hat sich nicht bestätigt. Kaczynski ist in Polen recht populär. Das stärkt ihm den Rücken. Der Mann fühlt sich zu einer Mission berufen, Polen aus der europäischen Union zu führen und abzukapseln. Politisch hätte er die Macht dazu. Ihm stehen aber 80 Prozent der Bevölkerung gegenüber, die für Europa sind. Sie haben gesehen, dass die finanziellen Zuwendungen positives bewirkt haben. Dass Brüssel mit Sanktionen droht, halte ich für vollkommen falsch — hier fehlt einfach der europäische Geist.

Was wäre Ihrer Meinung nach eine bessere Lösung?

Nowak: Reden. Konflikte können nur durch Dialoge gelöst werden. Helmut Kohl hatte hierfür das richtige Händchen, er hat die ehemaligen Ostblockländer verstanden und sie auf Augenhöhe behandelt. So jemand fehlt uns — und das sage ich als Sozialdemokrat. Wir belehren viel zu viel. Wir brauchen mehr Kohl und deutlich weniger Merkel in der Außenpolitik. Es wäre schön, wenn sich die Koalitionen jetzt nach den Sondierungsgesprächen zusammensetzen und sich auch in Richtung Europa einigen könnten. Natürlich braucht es die richtigen Leute dafür. Nur zu sagen, dass man gut mit Menschen umgehen kann, reicht nicht aus, um ein Mandat im Bundestag auszufüllen und Antworten auf die großen Fragen zu finden. Hier werden Politiker benötigt, die über Empathie, Verhandlungsgeschick und genügend Wissen über das Land verfügen. Ein gutes Beispiel für einen erfolgreichen Dialog ist Sigmar Gabriel. Er hat es geschafft, sich mit Erdogan an einen Tisch zu setzen. Was für ein Ergebnis dabei herauskommt, ist erst einmal zweitrangig. Er hat es geschafft, ihn überhaupt zu einem Treffen zu bewegen.

Wenn einer der Partner aber nicht reden möchte?

Nowak: Das ist Diplomatie. Man muss es weiter versuchen, überlegen, welchen Schritt man als nächsten gehen möchte. Unter Umständen muss man dann auch ein wenig Druck aufbauen. Aber nicht so wie es Brüssel getan hat.

Nun fühlen Sie sich aufgrund Ihrer Biografie ja auch betroffen. Gibt es vielleicht etwas, was Sie machen könnten?

Nowak: Ich hätte da tatsächlich einen Vorschlag. Hier ist zum Beispiel meine SPD auf Landesebene gefragt, eine deutsch-polnische Arbeitsgruppe einzurichten, um die demokratischen Kräfte in Polen zu stärken, sich mit den Themen konkret zu beschäftigen und den Austausch von Ideen zu fördern. Wir müssen die verrückten Radikalen stoppen. Wenn Menschen zusammenkommen, die sich für die Politik und Geschichte des Landes interessieren, könnte sicherlich vieles erreicht werden. Das ist etwas, das ich gerne anstoßen möchte.