Den Krefelder Jecken voraus
Die Jecken in Uerdingen blicken zurück auf 150Jahre Karnevalszug.
Uerdingen. Sie freuen sich, dass sie den Krefeldern mal wieder um eine gute Länge voraus waren. Die Uerdinger Karnevalisten feiern in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum: Vor 150Jahren, am 20. Februar 1860, fand in der Rheinstadt der erste Karnevalszug statt. Der erste offizielle Krefelder Karnevalszug zog erst am 1.März 1897. Vorher gab es nur "unregelmäßige Straßenumzüge", vermerkt der Historiker.
In beiden Städten lebte der Karneval schon viel früher, aber eben ohne "Zoch". Und im evangelisch und mennonitisch geprägten Krefeld war die Narretei längst nicht so ausgelassen wie im kurkölnischen Uerdingen, wo die Stimmung offenbar manchmal überschwappte. Immerhin musste Bürgermeister Kreitz im Februar 1757 - im Siebenjährigen Krieg - in "den bevorstehenden Fastnachtstagen das Vermummen und Spiel" verbieten. Das wurde dann in der folgenden französischen Besatzungszeit nachgeholt.
Zur Geschichte der Uerdinger Karnevalszüge hat der Präsident des Karnevalszugvereins (KZV), Günter Herx, eifrig recherchiert - und teilweise im Krefelder Archiv mehr gefunden als beim Uerdinger Heimatbund. Der KZV kann übrigens 2010 sein 75-jähriges Jubiläum feiern.
Zu beiden Anlässen hat der Vorstand einen Orden prägen lassen, der nicht nur verliehen wird, sondern für elf Euro auch zu kaufen ist. Er zeigt zwei Narren eine Karre ziehen, auf der ein einsamer blonder Prinz die Arme reckt und einen ominösen Topf verliert, alles vor dem Hintergrund von Kirche und Eulenturm.
Uerdingen sei an den Karnevalstagen zu einem Tollhaus geworden, berichtete der Chronist Peter Martin Ignaz Herbertz in seinem Tagebuch über das närrische Treiben in den Jahren 1780 bis 1822. Aus Urkundenbüchern ist ersichtlich, dass schon im 15.Jahrhundert der Fastnacht-Dienstag zu geschäftlichen Handlungen, zum Beispiel als Termin für Lehen und andere Zahlungen, festgelegt wurde.
Der Uerdinger Zug hatte Vorläufer: In der Chronik des "Heimatarchivs Krefelder Karneval" wird für das Jahr 1837 von einem bescheidenen Rosenmontagszug von Linn nach Uerdingen berichtet, der von Reitern, auch Reiterinnen, durchgeführt wurde.
Den ersten offiziellen Rosenmontagszug im Jahr 1860 organisierte die Karnevals-Gesellschaft "Rheinbrücke". Mit Fußgruppen und sechs Wagen zogen die Uerdinger Narren durch die Innenstadt. In den Chroniken hat Günter Herx unterschiedlich viel über die Uerdinger Karnevalszüge gefunden. So wird über den "Zuch" im Jahr 1875 überschwänglich berichtet: Mit 18 Wagen, Fußgruppen und Einzelgängern war der bunte Zug bestückt und "die Chausseen von Lank, Linn, Bockum und Moers waren wie besät mit Menschen". Der erste Weltkrieg brachte eine Zwangspause, ab 1919 lief das jecke Leben in geschlossenen Räumen wieder an.
Über die Jahre danach ist relativ wenig bekannt. Dass die Uerdinger zum ersten Mal 1936 einen Prinzen mit eigenem Prunkwagen im 18 Fahrzeuge und 27 Fußgruppen starken Zug hatten, sind sich die Forscher ziemlich sicher: Peter I. Blaumeiser, Präsident der Braunschweiger Narrenzunft (BNZ), war ein Prinz ohne Prinzessin. Ab 1937 mit Alex I. Hofer und Christine I. Gather sind Paare die närrischen Repräsentanten.
Mit dem Kriegsausbruch 1939 endet die Zeit der großen Uerdinger Züge, um erst 1950 wieder loszulegen. Für das Jahr davor wird nur von einem kleinen Zug berichtet. Im Jahr 1955, zur Uerdinger 700-Jahr-Feier, hieß das Zug-Motto "Oeding 700 Johr jeck". Im Jahr darauf wurde betont: "Oeding blivt Oeding". Noch zweimal fiel der Karnevalszug aus, 1962 wegen Katastrophen in Norddeutschland und dem Grubenunglück an der Saar und 1991 wegen des Golfkriegs.
Mit dem Jahr 2000 hat Günter Herx seine Chronik vorläufig abgeschlossen. So kommt er nicht in Gefahr, den Zug 2009 mit dem Prinzenpaar im Jogginganzug zu bewerten.