Interview „Die Arbeit beginnt ab 0 Uhr“
Dr. André Wiegratz sieht den Rettungsdienst für die heutige Silvesternacht gerüstet, aber auch Probleme auf die Retter zukommen.
Krefeld. Dr. André Wiegratz ist seit Juli dieses Jahres Leiter des Rettungsdienstes in Krefeld. Seiner ersten Silvesternacht in Krefeld blickt der gebürtige Dortmunder relativ entspannt entgegen. Besondere Vorkehrungen habe man nicht getroffen, erklärt Wiegratz. Die Mannschaftsstärke sei die gleiche wie immer. Er selbst werde im Hintergrund Dienst machen und bei Bedarf oder hoher Auslastung noch als zusätzlicher Notarzt zur Verfügung stehen. Worauf sich die Rettungskräfte neben einer vermehrten Anzahl an Einsätzen einstellen müssen, erklärt der Rettungsdienst-Leiter im Interview mit der WZ.
Herr Dr. Wiegratz, freuen Sie sich auf die Silvesternacht?
Dr. André Wiegratz: Ja, ich blicke der Silvesternacht positiv entgegen. Ich habe ja das Glück, Dienst im Hintergrund machen zu können. Das heißt, ich bin zu Hause bei meiner Familie, stehe aber bereit, sollten die beiden Notärzte ausgelastet sein, oder es zu speziellen Einsatzsituationen, mit großem Schadensereignis oder etwa mit Kindern kommen. Mein Dienst als leitender Notarzt beginnt morgens am 1. Januar.
Auf welche besonderen Einsätze bereiten sich die Kollegen zusätzlich noch vor?
Wiegratz: In der Silvesternacht gibt es zwei typische Einsatzmuster für den Rettungsdienst. Auf der einen Seite haben wir es natürlich mit einer Vielzahl von Einsätzen zu tun, die durch den Gebrauch von Feuerwerkskörpern hervorgerufen werden — Verbrennungen von Extremitäten und auch im Gesicht zum Beispiel. Auf der anderen Seite gibt es viele Einsätze, die auf den übermäßigen Konsum von Alkohol in dieser Nacht zurückzuführen sind.
Mit wie vielen Einsätzen rechnen Sie in der heutigen Nacht?
Wiegratz: Wir rechnen mit rund 15 Einsätzen pro Rettungswagen und einer hohen Belastung für die Kollegen im Dienst. Normal sind zehn Einsätze pro Rettungswagen. Insgesamt werden acht Rettungswagen und zwei Notarztwagen im Einsatz sein. Bei Bedarf können aber natürlich weitere Kollegen aus der Bereitschaft angefordert werden. Die Arbeit geht für uns größtenteils erst nach 0 Uhr los.
Wenn die Feier auf den Straßen beginnt...
Wiegratz: Genau, wenn die Menschen anfangen, die Böller und Raketen zu zünden. Zudem gibt es aber auch viele Menschen, die unbedingt bis 0 Uhr durchhalten wollen, um mit der Familie und Freunden zu feiern und gegebenenfalls bis dahin Beschwerden unterdrückt haben. Gemäß dem Prinzip: Mir geht es zwar nicht gut, aber bis 0 Uhr muss ich noch durchhalten.
Bereiten sich die Kollegen speziell auf die heutige Nacht vor?
Wiegratz: Manche versuchen, sich den Abend durch ein gemeinsames Essen schön zu machen — das Problem ist immer nur, dass man permanent auf Abruf steht und jederzeit ein Einsatz reinkommen kann. Andere ruhen sich aus. Wirklich schlafen kann ich beispielsweise nicht vor einer Einsatznacht.
Stellen Sie sich auf zusätzliche Probleme an Silvester ein?
Wiegratz: Definitiv gibt es immer wieder auch an Silvester Übergriffe auf das Rettungsdienstpersonal. Das beginnt beim Beschuss von Rettungswagen und Notarztwagen durch Raketen und endet auch bei körperlichen Angriffen. Aber auch Glas und Müll auf den Straßen können zu Problemen für uns führen.
Wie schwierig ist es, unter diesen Umständen zu arbeiten?
Wiegratz: Es gibt Situationen, in denen wir einfach abbrechen müssen, weil die Situation für uns selbst gefährlich wird. Bei vielen Einsätzen kann jede Minute über Leben und Tod entscheiden. Trotzdem gibt es für uns einfach irgendwann den Punkt, da heißt es nur noch: Rückzug.
Gehen Sie deshalb sehr sensibel bei den Einsätzen vor?
Wiegratz: Gegen Ende des Jahres achten wir besonders darauf, da der Stimmungsumschwung gerade an Festtagen wie Weihnachten und Silvester für alle Beteiligten extrem ist. Eben hat man noch gefeiert, dann bangt man um das Leben eines Angehörigen.