Theater „Die Bilder habe ich immer im Kopf“
Jubril Sulaimon ist aus Nigeria geflohen und steht nun als Gastschauspieler für das neue Stück „Kein schöner Land“ auf der Bühne.
Krefeld. Ein Mann steht auf einer Straße. Um ihn herum liegt alles in Schutt und Asche. Alle seine Angehörigen wurden umgebracht. Im Krefelder Theater stellt Jubril Sulaimon die Emotionen, die genau jener Mann durchlebt hat, dar. Der geborene Nigerianer ist selbst nach Deutschland geflohen und weiß, was es heißt, neu anzufangen.
Er übernimmt in dem Theaterstück „Kein schöner Land“ die Hauptrolle. Die eines Flüchtlings. „Ich kannte Schauspieldirektor Matthias Gehrt zwar schon länger, musste aber wie alle anderen Bewerber vorsprechen.“ Anfangs war die Idee von Gehrt auch eine ganz andere: Er wollte das Theaterstück von Menschen spielen lassen, die gerade erst hier angekommen sind.
Sulaimon erklärt, warum das nicht so einfach ist: „Es ist zu noch viel zu nah und frisch an den Personen dran. Sie können nicht zwischen ihrer eigenen Geschichte und der dargestellten unterscheiden“.
Sulaimon kann das. Er hat die Bilder seiner Flucht noch im Kopf, besitzt jedoch den nötigen Abstand, den solch eine Rolle einfordert: „Ich kann es besser ertragen, weil ich es zwar erlebt habe, aber nicht mehr drin stecke“, so der Schauspieler.
Trotzdem sind die Bilder, die die Flüchtlinge im Kopf haben, auch für ihn noch gegenwärtig. „Ich weiß noch genau, wie ich ständig, vor lauter Hunger, Brot vor mir gesehen habe.“ Diese starken Erlebnisse sorgen für die Authentizität, die Sulaimon auf die Bühne bringen möchte. „Natürlich ist es auch für mich nicht immer einfach. Man ist sehr geprägt von den Erlebnissen, aber es hat auch Vorteile“, so der gebürtige Nigerianer, der erstmals 1992 auf einer deutschen Bühne stand. „Bei anderen Stücken ist es so, dass der Dramaturg dir 20 Seiten zu dem Stück gibt, um dir ein Bild von der Situation zu vermitteln. Dieses ‚Material’ hatte ich schon selber in meinem Kopf.“
Im Moment hat Sulaimon, der zum ersten Mal in Krefeld spielt, sich noch bewusst nicht groß in der Stadt umgesehen. „Ich wollte für mich noch etwas Abstand haben, um richtig in die Rolle reinzugehen.“ Dazu gehören auch die gemeinsamen Frühstückszeiten und Proben mit anderen Flüchtlingen.
Sulaimon hört mit offenem Ohr zu, was die Flüchtlinge berichten und wie sie ihre Flucht erlebt haben. Vehement bestreitet er, dass die meisten der Flüchtlinge nur aus wirtschaftlichen Gründen hergekommen seien: „Ganz im Gegenteil. Sie kommen, weil bei ihnen alles in Trümmern liegt und sie vor dem Krieg fliehen müssen.“
Mit einer großen Portion Herzblut nimmt er die Rolle des Vermittlers ein. Ein Vermittler, der am eigenen Leib erfahren hat, was eine Flucht bedeutet.