Drei Stunden voller Ungewissheit
Polizei muss aufgrund einer Bombendrohung zeitgleich zwei Standorte großräumig absperren. Viele Passanten sind verunsichert. Die Situation wirkt zeitweise bedrohlich.
Krefeld. Es ist Donnerstagmorgen, 11.15 Uhr, als im Rewe-Markt an der Kölner Straße alle Mitarbeiter und Kunden das Geschäft verlassen müssen. Die Polizei sperrt den Bereich rund um den Supermarkt ab. Erst nur wenige Meter, dann weiträumig.
Die Kreuzung Hafelstraße/Kölner Straße ist komplett dicht. In jegliche Richtung. Nur spärlich sickern Informationen durch. Schnell sammeln sich dafür Geschäftskunden, Anwohner und Passanten überall auf der Straße. Sie alle werden von der Polizei zurück in Geschäfte und Wohnungen geschickt. Keiner darf mehr auf die Straße. Auf Nachfrage informieren die Beamten, dass es wohl zu einer Bombendrohung gekommen wäre. Bei vielen macht sich ein mulmiges Gefühl breit, trotzdem bewahren die meisten Ruhe. „Ich lasse mich von so etwas nicht einschüchtern“, sagt WZ-Mitarbeiter Wolfgang Geimer, der zur Zeit der Absperrungserrichtung bei einem Kundengespräch an der Kölner Straße ist — nur rund 20 Meter entfernt von dem mutmaßlich bedrohten Geschäft.
Noch näher dran ist Jan Holtmann, dessen Wohnung direkt neben dem Rewe-Markt liegt. „Ich kam vom Joggen und durfte gerade noch duschen. Aber auch nur mit dem Hinweis, dass man mich eventuell aus der Wohnung holen würde, wenn es sein müsste“, sagt er. Derweil sammeln sich immer mehr Menschen an den verschiedenen Absperrungen rund um das Fischelner Zentrum. Genau zu dieser Zeit muss die Polizei gegen 11.35 Uhr zu einem zweiten Einsatz in die Innenstadt ausrücken. Polizisten in voller Montur mit dicken Sicherheitswesten und Maschinenpistolen sperren nach und nach die Hansastraße in beide Richtungen ab. Rund 20 Minuten später werden auch die Mariannen- und Luisenstraße abgeriegelt. „Ich weiß gar nicht, was hier los ist“, sagt Monika Fellmann. Sie sei auf dem Weg zur Arbeit, aber man lasse sie nicht in Richtung Hansastraße. Oben am Fenster habe sie schon Kollegen stehen sehen. „Eine davon hat mich gerade schon angerufen. Die wissen da drin gar nichts“, berichtet sie besorgt.
Die Polizisten an der Hansastraße wirken zum Teil aufgeregt. Immer wieder rufen sie Passanten zu, sie dürften die Straße nicht mehr nutzen. Einem Fußgänger, der langsam davon schlender, t ruft eine Beamtin hinterher: „Schneller, rennen Sie!“ Die Situation wirkt angespannt und bedrohlich.
Immer wieder sind Sirenen zu hören. Nach einer Weile fährt ein weißer Polizeiwagen mit Gladbacher Kennzeichen durch die Hansastraße. Kurz nachdem er vor dem Bahnhof geparkt hat, hört man Hundegebell. Das Kinogebäude soll nun von Hunden durchsucht werden. Nach etwa einer halben Stunde verlassen die Tiere mit ihren Führern das Gebäude wieder. Offenbar wurde nichts gefunden. Das bestätigt eine Sprecherin der Polizei.
Die Tiere werden auf direktem Wege nach Fischeln gebracht. Dort haben sich bislang an allen Absperrungen dutzende Menschen angesammelt. Bei manchen Passanten herrscht Unverständnis. Ein Radfahrer kann nicht verstehen, dass der Bereich rund um den Rewe-Markt großräumig abgesperrt ist. „Das ist doch Schikane“, sagt er und zieht ab. Der Großteil der Menschen zeigt hingegen Verständnis, dass auch rund zweieinhalb Stunden nach Beginn der Absperrungen im Zentrum von Fischeln nichts geht. „Es ist doch klar, dass alle jetzt hochsensibel sind“, sagt Anwohner Ralf K. und ergänzt: „Wenn man an die Bilder aus München denkt, wird einem schon anders.“ Die Mitarbeiter der Pizzeria Amalfi 2 denken hingegen ans Geschäft. Eine Absprache mit der Polizei ermöglicht ihnen, die bestellten Pizzen genau am Absperrungsband in Höhe Kölner Straße 502 an die Kunden zu übergeben. Als dann gegen 14.05 Uhr der letzte Hund wieder aus dem Supermarkt kommt, geht alles ganz schnell. Die Polizisten reißen die Absperrbänder runter. Die Gefahr ist gebannt. Es gibt keinen Sprengsatz. Innerhalb von Sekunden tummeln sich Radfahrer, Autos und Fußgänger wieder im Kreuzungsbereich an der Kölner Straße. Entspannung kehrt ein. „Klar habe ich die ganze Zeit Kontakt zu meiner Familie und meinen Freunden gehalten. Ich finde, dass die Polizisten einen guten Job gemacht haben“, sagt Jan Holtmann.
Auch am Hauptbahnhof hat sich die Situation gegen 14.15 Uhr längst wieder normalisiert. Bei manchen sitzt der Schreck aber noch tief. „Das war wie im Krimi“, sagt die Besitzerin einer Kneipe am Hauptbahnhof. Plötzlich seien die Polizeiautos da gewesen. Keiner habe Genaues sagen können. „Das sah schon bedrohlich aus — die Polizisten in Schutzwesten und der ganzen Ausrüstung“, sagt sie.
Auch der Pizzabäcker nebenan habe nur wenig mitbekommen. „Ich bin natürlich raus und habe die Polizisten gefragt, was los ist“, sagt er. Die hätten aber kaum Auskunft gegeben.
Ein Gast in der Kneipe hat die Geschehnisse über das Internet verfolgt. „Ich habe schon von zu Hause aus gesehen, dass es hier eine Sperrung gibt. Da bin ich erstmal geblieben“, sagt er. Er wohne in der Nähe der Feuerwache. Da die nicht ausgerückt sei, habe er vermutet, dass es nicht so schlimm sein könne. „In München hat man ja überall auch Feuerwehr auf den Fotos gesehen“, sagt er. Dass die noch ruhig geblieben sei, habe ihn beruhigt.
„Das war hier ziemlich chaotisch“, sagt einer der Taxifahrer am Bahnhofsvorplatz. Er habe kurz nach der Sperrung hier zum Taxistand fahren wollen, doch er sei nicht durchgekommen. „Gott sei Dank ist nichts passiert“, sagt er nun. So wie er, denken viele, die diese Bedrohungssituation vor Ort mitbekommen haben.