Brautradition Eine Stadt und ihr Altbier
Klar, Krefeld und Altbier gehören zusammen. Aber ist das wirklich noch so? Und was hat es mit dem so typischen „Krefelder“ auf sich? Eine Spurensuche im traditionsreichsten Brauhaus der Stadt — und in Krefelds jüngster Brauerei.
Krefeld. Frank Tichelkamp hat an diesem Morgen schon ein Bier getrunken. Kein Alt, sondern Pils — und in Gesellschaft eines Kunden. „Nur wenn man rausfährt, erfährt man auch etwas über die Leute, die unser Bier trinken“, sagt der Verkaufs- und Marketingleiter der Brauerei Königshof, und: „Wir müssen nah am Markt sein. Das ist unsere einzige Chance, als lokale Marke zu bestehen!“
Zwei Jahre nachdem die traditionsreiche, aber heruntergewirtschaftete Rhenania Brauerei ihre Krefelder Altbiermarke verkaufte und die Tore im Stadtteil Königshof schloss, war der Unternehmer Josef Klösters mutig genug, an dem alten Brauereistandort eine neue zu eröffnen: die Brauerei Königshof hat heute 62 Mitarbeiter. 2003 als Dienstleister für andere Brauereien gestartet, deren Altbiere auch heute noch teils in Krefeld produziert, eingelagert und abgefüllt werden, fließt dort seit 2007 wieder eigenes Bier aus dem Kessel in die Flasche.
„Die Krefelder haben immer gefragt: Warum habt ihr keine eigene Marke?’ Das hat uns dazu verleitet, kreativ zu werden und etwas Eigenes zu machen, etwas, das uns ein Alleinstellungsmerkmal gibt“, erzählt Tichelkamp. Dabei heraus kam — vermischt mit einer Portion „Krefelder Herzblut“ — „das mildeste Altbier, das es in Deutschland gibt.“
Dabei macht das Altbier vom Königshof mit 30 Prozent den deutlich geringeren Anteil der Bierproduktion aus. Das entspreche auch dem deutschlandweiten Trend: „Mit einem Marktanteil von drei Prozent, gehört das würzige Alt zu den Spezialitäten“, sagt Frank Tichelkamp.
Daher wird auch in Krefeld seit 2007 hauptsächlich Pils gebraut. 25 000 Liter entstehen in den riesigen Sudkesseln während eines Brauvorgangs — und das sechs Mal täglich. Mit vier Chargen lassen sich 10 000 Kisten befüllen. 13 Lkw schaffen die täglich von Königshof nach ganz Krefeld, auch nach Düsseldorf, Gladbach oder Duisburg.
An der Sternstraße wurde bereits 1807 Krefelder Brauerei-Geschichte geschrieben. Damals gründete Johannes Michael Wienges die Brauerei „Zu den drei Kronen“, die nach seinem Tod erst Sohn Anton und später Enkel Johannes Wienges weiterführen. Nach der Hochzeit mit einer Wienges-Tochter übernimmt August Gleumes 1896 das Stammhaus an der Sternstraße und gibt ihm seinen heutigen Namen.
Unternehmensgeschichte, in die sich Antonios Arabatzis erstmal einlesen musste. Seit Ende vergangenen Jahres sitzt Arabatzis, der lieber Toni genannt wird, neben Georg Mäurers als Geschäftsführer der Krefelder Traditionsbrauerei im Chefsessel im Büro in der ersten Etage des Altbaus an der Sternstraße. „Gleumes entwickelt sich positiv.“ Bereits bis zum September habe der Ausschank im Brauhaus im Vergleich zum Vorjahr um fast 40 Prozent zugelegt, der Umsatz in der Brauerei sei um etwa 30 Prozent gestiegen — auf etwas mehr als 3500 Hektoliter. Für Arabatzis Grund zur Erleichterung: „Dass es Gleumes schlecht ging, ist ja kein Geheimnis.“
Seit Heinrich Gleumes das Familienunternehmen in den 1960er Jahren an Tivoli verkaufte, folgten Pächterwechsel und stürzten die Traditionsbrauerei in eine Identitätskrise. Zuletzt habe es im Brauhaus an der Sternstraße Tapas gegeben — „die Leute wollten aber lieber Krefelder Spies zu ihrem Bier“, glaubt Arabatzis und betont: „Wichtig ist, dass Gäste unser Brauhaus wieder als ihr Zuhause ansehen. In erster Linie zählt bei uns jetzt die Tradition.“ Und dazu gehöre neben dem Pils eben unweigerlich das Alt — bei Gleumes kommt das als helles Lager: „Der Krefelder trinkt Altbier, das ist am Niederrhein so. Und die Leute, die hierher kommen, wollen ihr Gleumes mit der Rezeptur von 1807“ — davon ist der Geschäftsführer überzeugt.
Wem das zu bitter ist, der greift vielleicht lieber zum Krefelder, für das man in den Kneipen der Region heute auch Alt mit Cola mischt. Bis in die 80er Jahre wurde Krefelder hier aber noch mit Süßbier getrunken, erinnert sich Königshof-Mann Tichelkamp: „Krefeld und Mönchengladbach waren die einzigen Abfüllstätten für Süßbier, eine Vorstufe von Lightbier, in Deutschland.“ Wer von hier bloß nach Münster reiste und kein Süßbier im Gepäck hatte, musste also auf sein Krefelder verzichten — oder das Alt mit Cola mixen . . .
Das waren Zeiten, in denen es noch keine Alkopops, Biermixgetränke, Craft-Beer und Co. gab, die Bier im Allgemeinen und Alt im Speziellen Konkurrenz machten. „Ja“, sagt Tichelkamp. „Diese Getränke sind im zeitlichen Abstand von je etwa zehn Jahren mit unheimlichem Druck auf den Markt gedrängt.“ Wo Tankstellenregale vor zehn Jahren noch zur Hälfte mit Bier befüllt gewesen seien, dominierten jetzt vor allem Energydrinks die Regalbretter.
Ob die dem Bier jetzt den Rang ablaufen? Schon möglich, denn „was man in seiner Jugend trinkt, nimmt man als Geschmackstypus mit“, glaubt Tichelkamp. Auch deshalb setze man bei der Brauerei Königshof nicht auf nur eine Zielgruppe, dafür aber ganz bewusst auf das Heimatgefühl: „Wir wollen lokal für die Krefelder sichtbar und greifbar sein und nicht ganz Deutschland dazu bekehren, unser Bier zu trinken.“