Er hat den Wilden Westen beruhigt

Pünktlich zum 79. Geburtstag hört Schiedsmann Heinz-Günther Roeder auf. 25 Jahre lang war er im Bezirk West im Dienst.

Foto: Dirk Jochmann

West. „Ich habe den Wilden Westen beruhigt“, bemerkt Heinz-Günther Roeder mit einem Schmunzeln. Er feiert am Dienstag die Vollendung seines 79. Lebensjahres und meint, 25 Jahre als Schiedsmann im nördlichen Teil des Bezirk Krefeld-West seien genug. Für Donnerstag, 26. Juli, hat er die letzte von fast 500 Verhandlungen angesetzt und hofft, dass es dabei zum Vergleich unter den Streitenden kommt. „Rund 1600 Schlichtungsanträge habe ich im letzten Vierteljahrhundert angenommen. Bei einem guten Drittel gab es am Schluss einen von beiden Parteien akzeptierten Vergleich.“

Rückblickend konstatiert Heinz-Günther Roeder, dass die Auseinandersetzungen an Schärfe und einer gewissen Biestigkeit zugenommen hätten. Sein erster Fall ist ihm noch gut in Erinnerung. Es ging um eine Kneipenschlägerei. Nachts um 23.30 Uhr kam der Anruf, und 14 Tage später saßen die beiden Streithähne bei ihm zuhause im Wohnzimmer. Der gerade ernannte Streitschlichter hatte wohl den richtigen Ton getroffen, „denn nach unserem Gespräch gaben sich beide die Hand und verabredeten sich für den nächsten Tag auf ein Bier“. Kneipenschlägereien kamen bei ihm seit mehr als 14 Jahren nicht mehr vor. Dafür stehen Nachbarschaftsstreitigkeiten immer wieder auf der Agenda. „Es gibt Fälle, die sind nicht einfach lösbar. Dann ist viel Geduld erforderlich. Meine kürzeste Schlichtung dauerte 20 Minuten, die längste Sitzung zweimal vier Stunden.“

Bedroht wurde der Schiedsmann nur einmal. Dagegen erhielt er so manche Einladung zum Kaffee und zum gemeinsamen Grillen. Als Voraussetzung für einen guten Mediator empfindet er vor allem die Neutralität. Aber auch Leidenschaft, Kontaktfreude und Rechtskenntnisse sind erforderlich. „Man muss sich in die Streitenden und in den Streit hineindenken. Denn die psychische Belastung ist oft sehr groß. Ein erfolgreicher Vergleich nimmt — nach einem Kompromiss — einen oft jahrelangen Druck von den Beteiligten.“

Heinz-Günther Roeder wurde 1939 in Kröv an der Mosel geboren. 1951 hatte er einen schweren Unfall und ist seitdem gehbehindert. Verständlich, dass er in den steilen Mosellagen nicht agieren konnte. Auch der vom Großvater favorisierte und erlernte Beruf als Müller, Bäcker und Konditor war körperlich nicht zu bewältigen.

In seinem Heimatort hatte er seine Frau Sigrid, eine Linnerin, kennengelernt und 1964 geheiratet. Das Paar zog nach Krefeld. Roeder ging zur Verwaltungs- und Sparkassenschule und fing bei der Krefelder Verwaltung an. Nach Jahren beim Amt für Stadtentwicklung übernahm er das Amt der Gesamtvertrauensperson für Schwerbehinderte. Dabei konnte er bis zu seiner Pensionierung 2004 vielen Kollegen helfen. „Die Stadt Krefeld wurde als erste Kommune vom Landschaftsverband Rheinland als besonders behindertenfreundlicher Arbeitgeber ausgezeichnet“, sagt er.

Neben der Familie, er hat zwei Töchter, einen Sohn und sieben Enkelkinder, sind Lesen und Reisen die Hobbys des Wahlkrefelders. In seinem Garten wächst eine Riesling-Rebe von der Mosel. Aber ohne Zweifel war das Streitschlichten seine größte Leidenschaft. Da ist es kein Wunder, dass Roeder seine vielen Notizen auswerten will. Dass er die Fähigkeiten dazu hat, bewies er 2010, als er eine vielbeachtete Ausstellung über das Schiedsamt in der Volkshochschule organisierte. Der Einsatz des langjährigen Sprechers der Krefelder Schiedspersonen wurde mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt.