Ermordete Frau: Polizei nahm Hilferuf nicht ernst
Marc G. hat gestanden, seine Frau nach einem Streit erwürgt zu haben. Vor Gericht zeigt sich: Kurz vor ihrem Tod hatte sie die Polizei angerufen.
Nettetal. Zurzeit läuft vor dem Landgericht in Krefeld der Totschlagsprozess gegen Marc G. (41). Der Viersener hat gestanden, seine Ehefrau in einem heftigen Streit am Ende der Geburtstagsfeier seiner Mutter im Mietlokal Leutherheider in Nettetal erwürgt zu haben — auch wenn er sich an das eigentliche Tatgeschehen nicht erinnern kann oder will. Schon am ersten Prozesstag ist deutlich geworden, dass die Tat das Ende einer Tragödie zu sein scheint. Einer Tragödie um Depressionen, Alkohol, Überforderung mit der Pflege des behinderten Sohnes und dem immerwährenden Versuch, als Paar doch noch zusammenzuhalten.
Und ein Detail sorgte am ersten Prozesstag für eine große Überraschung: Das Opfer hat etwa eine halbe Stunde vor seinem Tod die Polizei angerufen. Das ist nicht nur aktenkundig, Marc G. selbst hat es vor Gericht erzählt. Er sei dabei gewesen, als sie ihr Handy ans Ohr nahm und sprach. „Aber ich habe geglaubt, sie tut das nicht wirklich, sie spielt mir nur etwas vor“, berichtete er. Sie soll ihm vorher gesagt haben, dass sie nicht länger in dem angemieteten Hotelzimmer in Nettetal bleiben, sondern sofort mit ihrem kleinen Sohn nach Hause fahren wolle.
Bei der Obduktion hat sich ein Alkoholwert von 1,92 Promille ergeben. Er habe seine Frau in diesem Zustand nicht Auto fahren lassen wollen, sagte der Angeklagte. Als ein Anruf bei der Tochter mit einem Abholungsgesuch scheiterte, weil die Fahranfängerin selbst getrunken hatte und ihre Mutter und ihren Bruder deshalb nicht abholen wollte, sei es um 1.40 Uhr zu dem Anruf bei der Polizei gekommen. Sabine G. soll gesagt haben, sie werde gegen ihren Willen mit dem Kind festgehalten, wolle weg.
Der Anruf lief bei der Leitstelle der Polizei in Viersen auf. Die Reaktion des Polizeibeamten ist im Prozess nicht zur Sprache gekommen. Auskunft darüber, was gesagt wurde, gibt es auch nicht. Polizei und Staatsanwaltschaft dürfen sich dazu nicht mehr äußern, denn die Ermittlungen sind abgeschlossen, der Prozess läuft. Antworten geben könnte nur Richter Herbert Luczak. Der aber ließ über eine Gerichtssprecherin mitteilen, dass er keine Details aus den Akten bekannt gebe, die nicht auch im Gerichtssaal besprochen worden seien.
Unter der Hand heißt es, die Staatsanwaltschaft habe das Telefonat überprüft und sei zu dem Schluss gekommen, dass dem Beamten in der Viersener Leitstelle kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei, er sich absolut korrekt verhalten habe. Es sei kein Verfahren gegen die Polizei oder einzelne Beamte eingeleitet worden. Fest steht aber: Die Polizei war erst nach 2.30 Uhr am Tatort. Erst, nachdem sie von Familienangehörigen alarmiert worden war.
Marc G. sagte vor Gericht, er habe etwa 20 Minuten lang im Zimmer mit seiner Frau gestritten. Um 2.11 Uhr weist sein Handy einen ersten Kontakt zu seinem Vater aus, dem er erzählen wollte, dass seine Frau tot sei. In den polizeilichen Ermittlungen hatten die Kellner berichtet, sie hätten wohl das Kind schreien und Geräusche wie beim Möbelrücken gehört, nicht aber streitende Erwachsenenstimmen. Red