Erst der Nachbar, dann der Vater: Mädchen über Jahre missbraucht
Der Angeklagte engagiert sich seit zwei Jahren in der Krefelder Thomas-Morus-Gemeinde.
Krefeld/Kempen. Zwei Jahre und neun Monate Haft — diese Strafe hat am Donnerstag das Krefelder Landgericht gegen den 44-jährigen Franz K. verhängt (Name von der Redaktion geändert). Der mittlerweile in Krefeld wohnende Familienvater hatte gestanden, seine Stieftochter zwischen 2008 und 2010 in 33 Fällen sexuell missbraucht zu haben. Damals lebte er mit seiner Frau, der gemeinsamen Tochter sowie dem Opfer in Kempen. Die erste Tat ereignete sich am 15. Juni 2008 — dem 14. Geburtstag des Mädchens.
„Ich habe das Schrecklichste getan, was man überhaupt tun kann“, äußerte sich K. vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts. „Ich bekenne mich zu meinen Taten und bereue sie.“
Laut Anklage nutzte der Elektromonteur die Abwesenheit beziehungsweise den Schlaf seiner Frau, um die Stieftochter zu missbrauchen. Staatsanwalt und Gericht waren einer Meinung, dass sich die Taten „im Verlauf von eineinhalb Jahren in ihrer Intensität gesteigert haben“. Nur zufällig sei es nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen.
K. engagiert sich seit knapp zwei Jahren in der katholischen Thomas-Morus-Gemeinde in Krefeld. Auf Wunsch der Verteidigung sagte Pfarrer Günter Zorn am Donnerstag vor Gericht aus. K. versuche, seine Taten auf „religiös-moralischer Ebene“ aufzuarbeiten. „Ich habe selten einen Menschen erlebt, der seine Schuld so dargelegt hat“, sagte Zorn. K. helfe innerhalb der Gemeinde unter anderem bei Pfarrfesten und im Altenbesuchsdienst.
Damals war der Nachbar der Familie in Kempen der Täter. Er wurde deshalb im September 2009 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. „Der Missbrauch durch den Nachbarn endete am 15. Juni 2008. Und der Missbrauch durch den Stiefvater begann am 15. Juni 2008“, machte die Anwältin der inzwischen 18-Jährigen, die als Nebenklägerin im Gerichtssaal saß, deutlich. Während die Taten des Nachbarn von der Justiz behandelt wurden, liefen also parallel die Misshandlungen durch den Stiefvater. „In einer Phase, in der die Familie ein Rückzugsort sein sollte, fanden die schrecklichen Taten innerhalb der Familie eine Fortsetzung“, so der Staatsanwalt.
Positiv für den Angeklagten wirkte sich das sogenannte Nachtatverhalten aus. Kurz nach dem der Missbrauch im Januar 2011 ans Tageslicht geraten war — das Mädchen hatte sich nach einem Streit mit K. ihrer Mutter offenbart —, begann der Täter von sich aus eine Therapie und die Arbeit in der Krefelder Gemeinde.
Weil der Täter vollständig geständig war, wurde dem Opfer eine Aussage vor Gericht erspart. Dennoch ergriff die 18-Jährige am Schluss der Beweisaufnahme das Wort — und richtete es direkt an ihren Peiniger: „Du hast mich zerrissen, Du hast mein Leben zerstört. Ich glaube nicht, dass es Dir leid tut.“ In für alle Anwesenden beeindruckender Weise schilderte die Jugendliche Szenen ihres Alltags: Noch heute leide sie unter Panik-Attacken und gehe im Dunkeln nicht vor die Tür.
„Sie haben zwar alles gestanden und zeigen Reue. Der Ausgangspunkt für die Verhandlung sind aber Ihre Taten“, sagte die Richterin nach dem Urteilsspruch zum Angeklagten. Vor allem der lange Zeitraum, in dem die 33 Fälle begangen worden sind, sprächen gegen eine Bewährung. „Das war eine ganze Tatserie."