Stolpersteine erinnern an die Opfer der NS-Zeit Gedenken – nur mit Einverständnis
Krefeld · Das Veto-Recht von Hauseigentümern gegen die Stolpersteine wurde in Viersen gekippt. Krefeld regelt das anders.
Rund 130 Stolpersteine hat Gunter Demnig bereits in Krefeld verlegt. Insgesamt stehe die Gedenkaktion für Opfer des Nazi-Regimes in Deutschland und weiteren 23 europäischen Ländern „kurz vor dem 70 000 Stolperstein“, sagt der Künstler. 26 der kleinen goldenen Quadrate mit Namen, Geburtsstadt und -datum sowie, wenn bekannt, Todestag und -ort wird er voraussichtlich im Dezember im nahen Viersen-Süchteln verlegen.
Das hat eine Bürgerinitiative möglich gemacht, durch deren Engagement ein Veto-Recht gekippt wurde. Ein Veto-Recht, wie es im Prinzip auch in Krefeld besteht. Es bedeutet, dass Hauseigentümer verhindern können, dass in Bürgersteigen oder Plätzen vor ihrer Immobilie, obwohl es öffentlicher Raum und nicht ihr Privatbesitz ist, Stolpersteine eingebracht werden. „Von Seiten der Stadt Krefeld gibt es eine klare Haltung, dass ohne Einverständnis des Eigentümers vor dessen Haus kein Stolperstein verlegt würde“, heißt es von der Pressestelle der Krefelder Verwaltung.
So wollte es auch der Viersener Stadtrat ursprünglich und hatte das Veto-Recht nach einem Antrag deshalb im April erneut mehrheitlich bekräftigt. In Viersen hatten Eigentümer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Auch im Stadtteil Süchteln drohte das Verlegen der 9,6 mal 9,6 Zentimeter großen Messingsplatten im Straßenpflaster zur Erinnerung an die ehemaligen Bewohner von Gebäuden, die noch an dieser Stelle stehen oder einmal standen, am Nein fast der Hälfte der befragten Immobilienbesitzer zu scheitern.
Daraufhin gründete sich die Bürgerinitiative „Stolpersteine für Viersen – ohne Wenn und Aber“, sammelte im Rahmen eines Bürgerbegehrens rund 6000 Unterschriften, um einen Bürgerentscheid herbeizuführen. Doch statt einer Abstimmung der Einwohner votierte die Politik jetzt aktuell im Stadtrat in einer Sondersitzung mehrheitlich gegen das Veto-Recht. Nun können die Steine auch ohne Zustimmung der Hauseigentümer verlegt werden.
Dass man in Krefeld auf einen Konsens mit den Eigentümern setzt, ist bei der Größe der Stadt eher ungewöhnlich. Künstler Gunter Demnig kennt Querelen, Diskussionen und wechselnde Ratsbeschlüsse aus eher kleineren Orten. „Bis hin zu dem Fall, in dem fertige Stolpersteine in einer Vitrine im Rathaus aufbewahrt werden mussten.“ In Großstädten sei die Haltung der Stadtspitzen eher: „Das Trottoir gehört uns, ob wir da ein Verkehrsschild oder eine Parkbank aufstellen oder einen Stolperstein verlegen, ist unsere Sache“, berichtet der gebürtige Berliner.
Vorsitzender der jüdischen Gemeinde findet es „traurig“
Michael Gilad, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Krefeld, findet es „traurig, dass es überhaupt zu solchen Debatten kommt“. Wie die Stadt Krefeld mit dem Thema umgeht, dazu will er nichts sagen. „Ich überlasse das der Stadt. Ich mache keine Politik.“ Aber dass es überhaupt zu Vetos wie in Süchteln komme, sei schlimm. Gilad wertet Reaktionen dieser Art so, dass „die Menschen ihre Ruhe haben wollen, einen Schlussstrich ziehen wollen“.
Aber unter diesen Teil der Geschichte könne man keinen Schlussstrich ziehen. Er erinnert an die jüngsten Schmierereien mit Hakenkreuzen in Krefeld. Und anderswo gebe es Naziaufmärsche mit antisemitischen Gesängen, sagt Gilad und verweist auf die jüngsten Ereignisse in Dortmund. „Wir müssen die Erinnerung wachhalten. Ich werde es nie vergessen. Aber die Jugend würde es, wenn wir es nicht vermitteln.“
Für Uwe Micha, Sprecher der Viersener Bürgerinitiative, ist es „nicht nachvolllziehbar, dass der Wunsch eines Einzelnen über die Erinnerungskultur gestellt wird“. Der Grundgedanke der Stolperstein-Aktion sei, dezentrale Mahnmale zu schaffen, „direkt bei uns in der Nähe“. Bürgersteige seien öffentlicher Raum, gehörten „den Bürgern, uns“. „Wenn die Politik immer so agieren würde, gäbe es keine Ampeln, keine Parkbank, keine Mülleimer. Denn einer ist immer dagegen.“