Hochrisikopatienten Hilfe und Beratung für Krebskranke in Coronazeiten
Krefeld · Gülseren Yazaydin appelliert an Patienten, aus Angst vor Covid-19 wichtige Arzttermine und Anträge auf Reha und finanzielle Unterstützung nicht zu verschieben.
Krebspatienten gehören zu den Covid-19-Risikogruppen. „Die ständige Sorge, sich anstecken zu können, ist bei ihnen extrem hoch“, sagt Gülseren Yazaydin, die bei der Krefelder Krebsberatung im DPWV-Begegnungszentrum an der Wiedenhofstraße arbeitet. „Zu Beginn der Pandemie sind viele unserer Klienten in eine spürbare Schockstarre gefallen und hatten richtig Angst, vor die Tür zu gehen.“ Die Beratungen gingen stark zurück. Gut sei das nicht für die Betroffenen, weil wichtige Anträge so liegen geblieben seien. Im Sommer habe sie und ihre Kollegen Beratungen verstärkt nachgeholt. Die studierte Gesundheitswissenschaftlerin: „In der jetzigen Phase nehmen die Anrufe wieder spürbar ab. Die Lockdown-Phase beeinflusst wieder die Beratungssituation.“
Die Diagnose Krebs ruft Angst, Wut und Ohnmacht hervor
Gülseren Yazaydin appelliert gerade jetzt an Krebs erkrankte Frauen und Männer, auf keinen Fall Vorsorge- und Nachsorgetermine zu vernachlässigen und Arztbesuche aus Angst hinauszuschieben. „Damit schaden Sie sich im schlimmsten Falle noch mehr.“
510 000 Menschen erkranken laut der Deutschen Krebshilfe jedes Jahr an einer Krebserkrankung. 223 von ihnen haben im vergangenen Jahr allein in Krefeld Rat und Hilfe bei der Krebsberatung gesucht. Obwohl die Heilungschancen bei vielen Krebsarten inzwischen gut seien, stürze die Diagnose Krebs viele Menschen oftmals zunächst in eine schwere Krise. Angst, Wut, Ohnmacht, Verzweiflung bis hin zu Depressionen machten sich breit. Gülseren Yazaydin und ihre Kollegin Claudia Dässel kennen das.
„Wir unterstützen unsere Klienten in einer schwierigen und oft verunsichernden Lebensphase, in dem wir Raum und Zeit bieten, um über die Erkrankung und die damit verbundenen Gefühle und Herausforderungen zu sprechen“, sagt Gülseren Yazaydin. Auch für Angehörige sind die Mitarbeiter da.
Als die Pandemie sich Anfang des Jahres in Deutschland ausbreitete, sei für alle diese diffuse Angst vor einem unsichtbaren Virus noch hinzu gekommen. „Eine Klientin sagte mir, dass sie mehr Angst vor Corona als vor ihrem Lungenkrebs habe“, erzählt die Gesundheitswissenschaftlerin. Diese ständige Sorge, sich irgendwo auf der Fahrt im Taxi zur Chemo oder im Krankenhaus anstecken zu können, zehre sehr an den Kräften der erkrankten Menschen.
Auch die Angehörigen seien stark verunsichert. „Uns erreichen immer noch viele Anrufe, mit der Frage, ob sie denn nicht ihre erkrankten Eltern oder Freunde besuchen könnten, die sie nicht alleine lassen wollten; gleichzeitig sind sie aber sehr in Angst, sich unwissentlich anstecken zu können“, erzählt Gülseren Yazaydin.
Sehr belastend wäre für alle auch die Vorgabe, dass – während beider Lockdowns – Angehörige die Krebspatienten nicht ins Krankenhaus zu Untersuchungen und der Chemo begleiten oder sie nach Operationen dort besuchen dürften. Dabei sei doch bewiesen, dass die Unterstützung von Familie und Freunden sich positiv auf die Erkrankten auswirke. Nicht nur die Beratungssituation und die Inhalte ihrer Arbeit haben sich laut Gülseren Yazaydin durch Corona verändert. Auch ihre Arbeitsweise. Alle Beratungseinrichtungen an der Mühlenstraße sind komplett auf Beratung per Telefon, per Mail oder auch auf bei Jüngeren Videotelefonie umgestiegen. „Auf Wunsch sind persönliche Gespräche unter Berücksichtigung aller Sicherheits- und Hygienestandards aber auch weiterhin möglich“, spricht die Sozialberaterin diejenigen an, die mit den digitalen Medien nur wenig oder gar nicht vertraut sind.
Die Anträge für die Reha oder für einen Schwerbehindertenausweis können inzwischen digital im Internet heruntergeladen, ausgefüllt und wieder zurückgeschickt werden. Doch nicht jeder habe einen Scanner oder einen Drucker. Da hilft das Team an der Mühlenstraße gerne.
„Ein großes Thema derzeit ist die Einsamkeit“, sagt Gülseren Yazaydin. Ganz anders als noch im vergangenen Jahr. „Wenn man jetzt notgedrungen viel zu Hause und alleine ist, nicht ins Café und andere Leute treffen kann, dann denkt man irgendwann über sein ganze Leben nach.“ Gülseren Yazaydin merkt das an dem steigenden Gesprächsbedarf. Die Selbsthilfe Kontaktstelle im selben Hause spüre das nach ihren Worten gerade auch in einem Anstieg bei Depressionen und Ängsten bei Krefeldern.
Obwohl die Krebsberatung in Krefeld schon seit über drei Jahrzehnten existiert, muss sie jedes Jahr aufs Neue einen Antrag auf Zuschüsse stellen. Auch jetzt in Corona-Zeiten. Mit Hilfe des Landes NRW, der Stadt Krefeld und durch Spenden finanziert sich das wichtige Angebot. „Eine längere Planungssicherheit haben wir dadurch nicht“, so Gülseren Yazaydin. Das soll sich ändern. Die Beratungsstelle in Trägerschaft der Gatherhof gemeinnützigen GmbH hat jetzt einen Antrag auf Finanzierung bei der Gesetzlichen Krankenversicherung gestellt. „Somit hoffen wir auf eine langfristig gesicherte selbstständige ambulante Beratungsstelle.“ Auch wenn bei den geplanten Impfungen gegen Covid-19 die Risikogruppen an erster Stelle kommen – bis es soweit ist, werden noch angstvolle Wochen vergehen.