Hochsensibel — Fluch oder Segen?

Denise Valica und Heiner Fischer wollen eine Selbsthilfegruppe gründen.

Foto: abi

Schon in ganz jungen Jahren haben Denise Valica und Heiner Fischer gespürt, dass sie anders sind als andere Kinder. Sie waren schreckhaft, mochten keine lauten Geräusche, brauchten Ruhephasen und spürten intuitiv, wenn etwas nicht stimmte. Erst während ihrer jeweiligen Ausbildung hatten sie das Glück zu erkennen, was los ist: Sie sind hochsensibel und haben dieses Persönlichkeitsmerkmal auch an ihre Kinder vererbt.

Jetzt wollen sie eine Selbsthilfegruppe namens „Hochsensible Familie“ gründen. „Manchmal weiß ich nicht, ob es ein Fluch oder ein Segen ist, hochsensibel zu sein und die Stimmungen der Menschen zu erleben, immer zu wissen, was los ist“, sagt Denise Valica. „Ich wusste es schon mit vier Jahren, dass ich anders war. Doch erst als ich für die Schule etwas über Autismus lernen musste, erfuhr ich die Merkmale meiner Veranlagung. Es war super zu wissen, was los ist. Heute kann ich meiner zweijährigen Tochter Zoé, die diese Merkmale auch aufweist, viel besser helfen.“

Viele Eltern fühlen schnell, wenn sich ihr Kind anders verhält als andere, haben aber keine Erklärung dafür. Ähnlich verlief die Erkenntnis bei Heiner Fischer (34): „Bei mir kam der Aha-Effekt in einer Vorlesung über Entwicklungspsychologie während des Studiums ,Soziale Arbeit‘. Als Kind wurde nicht auf meine Verhaltensweisen geachtet. Da musste ich funktionieren. Es war ja nichts bekannt.“ Er besitze einen ausgeprägten Harmoniesinn, einen Sinn für Ästhetik und habe seine eigene Ordnung, die sich auch schon früher in seinem Kinderzimmer gezeigt habe, berichtet er weiter.

„Hochsensibilität hat jedoch nichts mit Autismus zu tun“, sagt er. Seine 21 Monate alte Tochter weise auch schon die entsprechenden Merkmale auf. Ihre starke Wahrnehmung gehe schon in Richtung Hellsichtigkeit, berichten Valica und Fischer. „Wir haben ein großes Bauchgefühl, ein Gespür für die Atmosphäre. Und wenn die nicht stimmt, sind wir zwar äußerlich ruhig. Innerlich rumort es aber. Und meistens wollen wir alles verarbeiten, durchdenken, verstehen. So stark, dass manchmal schlaflose Nächte folgen.“

Daraus resultiert, dass sich Menschen mit diesem Persönlichkeitsmerkmal — es ist keine Krankheit — schwer entscheiden können, meistens lange brauchen. So hat es auch gedauert, bis sie den richtigen Beruf für sich gefunden hatten. Die 32-Jährige war Erzieherin in einer Kita, konnte jedoch mit der Lautstärke dort nicht leben. „Da ich sozial eingestellt bin und etwas mit Kindern arbeiten möchte, werde ich wohl in Richtung Kunsttherapie gehen.“ Fischer arbeitet derzeit nur halbtags, abwechselnd mit seiner Frau. „Es ist überhaupt wichtig, dass der Partner auf das sensible Verhalten eingeht und es nicht bagatellisiert.“

“ Die „Hochsensible Familie“ trifft sich erstmals am Donnerstag, 23. November, 19 Uhr, im Begegnungszentrum Wiedenhof, Mühlenstraße 42.