Krefeld Hochwasser-Risiko: "Wenn wir untergehen, dann alle"

Die Stadt sieht Krefeld durch Deiche und Anlagen geschützt, will im nächsten Jahr aber eine weitere Stelle zur Risikoanalyse einrichten.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Im Winter 1920 war in Krefeld landunter: Damals drängte das Hochwasser aus dem Rhein bis an die Düsseldorfer Straße, Linn war im Januar vor knapp 97 Jahren fast ganz überflutet. Etwa ein Drittel Krefelds liegt nach Angaben der Stadt im Risikogebiet des Rheins „und kann bei einem Extremhochwasser oder beim Versagen von Hochwasserschutzeinrichtungen überflutet werden“.

Schutz vor den Wassermassen soll auch der für 4,6 Millionen Euro sanierte und im April neu eröffnete Rheindeich in Uerdingen bieten. Die Zuständigkeit in Sachen Hochwasser-Risiko-Management liegt beim Fachbereich Tiefbau der Stadt. Dort soll 2017 eine Stelle geschaffen werden, die sich detailliert mit der Risikoanalyse beschäftigt — das hat der Rat mit der Verabschiedung des Haushalts beschlossen.

Betroffen von Überschwemmungen wären etwa 25 000 Einwohner. In Uerdingen, Linn und auch im Ortsteil Gellep-Stratum, der am Hafenbecken liegt. Dort steigt mit dem Wasserpegel auch die Sorge vor volllaufenden Kellern, denn: „Wenn das Rheinwasser, auch ohne einen Deichbruch, über das Maß ansteigt, dann ist Gellep-Stratum die tiefste Stelle im Risikogebiet — genau da läuft dann das gesamte Wasser hin“, fürchtet Klaus Jagusch.

Jagusch ist Mitglied im Erbentag des für den Ortsteil Gellep zuständigen Deichverbands Meerbusch-Lank. Damit ist er nicht nur besonders gut in Hochwasserschutz-Fragen informiert. Er bezahlt auch doppelt, neben Steuern nämlich zusätzlich Mitgliedsbeiträge — so wie alle Gelleper, die bis 1929 zum Amt Lank gehörten und deren Grundstücke im Risiko-Überschwemmungsgebiet liegen. Jagusch fragt: „Warum baut man rechts und links vom Hafen, in Uerdingen und Meerbusch, für Millionen von Euro die Deiche höher und wir Gelleper sitzen in einer Badewanne, die bei Rheinhochwasser als erstes vollläuft?“

Mit seinen Bedenken hat sich jetzt die Verwaltung beschäftigt und einen Sachstandsbericht zum Hochwasserschutz in der gemeinsamen Bezirksvertretung für Gellep-Stratum und Uerdingen vorgestellt. Die Besonderheit in Krefeld sei, dass — „soweit bekannt“ — Uferabschnitte, an denen keine Deiche existieren, „gerade eben so hoch sind, dass ein technischer Hochwasserschutz keine Pflicht ist“. Das sei auch im Gelleper Hafenbereich der Fall, beruhigt Monika Selke, stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Tiefbau, und schiebt nach: „Wenn wir untergehen, dann alle.“

Weiter weist der Sachstandsbericht darauf hin, dass das Hochwasserrisiko für Krefeld und einzelne Stadtteile nicht allein durch das Vorhandensein von Deichen oder Hochwasserschutzanlagen bewertet werden könne: „Das Risiko ist abhängig davon, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Hochwasser auftritt.“ Eine statistische Bewertung ist nach Angaben des Fachbereichs Tiefbau „schwierig“ (siehe Infokasten), eine Häufung von Hochwasserereignissen aber „aufgrund des Klimawandels zu erwarten“.

Da weder Hochwasser noch Deichbrüche vorhersagbar seien, hat der Gesetzgeber die Kommunen verpflichtet, sich mit den unvermeidbaren Risiken auseinanderzusetzen, um teils erhebliche Schäden durch Überflutungen zu reduzieren.

„Um festzustellen, welches Risiko und welche Defizite tatsächlich vorliegen und welche Anlagen beziehungsweise Bereiche besonders geschützt werden müssen, ist eine Risikoanalyse im Rahmen des Hochwasserrisiko-Managements erforderlich“, attestiert der Bericht weiter. Für organisatorische Veränderungen sei personelle Verstärkung erforderlich — wann die neue Stelle besetzt wird, steht noch nicht fest. Eine Antwort, die Erbentagmitglied Klaus Jagusch nicht zufriedenstellt.

„Da muss schneller etwas passieren“, fordert er und verweist auf Krefelds Deichgräfin. „Ihre Aufgabe ist es, sich um den Hochwasserschutz in der Stadt zu kümmern.“