Kita-Platz-Mangel 1000 Plätze in U-3-Betreuung fehlen

Krefeld. · Nicht nur in Kitas ist es eng. Tagesmütter berichten aus der inklusiven Großtagespflege.

Mutter oder Vater eines kleinen Kindes, berufstätig, vielleicht alleinerziehend: Für viele Eltern in Krefeld beginnt bald wieder das große Zittern: Denn Ende Januar werden die Zu- und Absagen für das neue Betreuungsjahr ab dem 1. August verschickt. Und Kita-Plätze sind landauf, landab Mangelware. Auch in Krefeld.

„Der Bedarf an Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren ist seit Jahren stark steigend. Eine Bedarfsquote von 40 Prozent ist unumgänglich“, heißt es in einer Vorlage der Verwaltung für den Unterausschuss für Ausbau der Kindertagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen. In einem Modellprojekt wurden Fischelner Eltern nach ihrem Betreuungsbedarf befragt. Mit dem Ergebnis: Im Stadtteil werden „Plätze für 46 Prozent der Kinder unter drei Jahren benötigt“.

Besonders eng ist es in der Innenstadt. Sie „gehört seit Jahren zu den am schlechtesten mit Plätzen für Kindertagesbetreuung versorgten Bezirken in Krefeld. Der Bezirk Mitte hat laut der aktuellen kleinräumigen Bedarfsplanung derzeit ein Defizit von 173 Plätzen für Kinder unter drei Jahren und 145 Plätzen für Kinder ab drei Jahren.“

Fürs gesamte Stadtgebiet können zum 31. Juli nach Angaben der Stadt 2132 von 2184 geplanten Plätzen in Kitas und bei Tagesmüttern für 6337 U-3-Kinder in Krefeld realisiert werden. Das entspricht einer Betreuungsquote von 33,6 Prozent und liegt damit unter der 35-Prozent-Quote, auf die sich Bund und Länder im Rahmen des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz für Kinder unter drei Jahren im August 2013 verständigt hatten. „Für etwa 1000 U-3-Kinder gibt es keinen Kita-Platz“, fasst Bildungsdezernent Markus Schön am Mittwoch im Unterausschuss zusammen.

Bienenstock an der Nordstraße betreut auch Inklusionskinder

Über zu wenig Nachfrage können sich auch Claudia Lobert und Maite Chaves nicht beschweren – im Gegenteil. Mutter und Tochter arbeiten als Tagesmütter und haben Anfang Dezember an der Nordstraße eine inklusive Großtagespflege eröffnet. „Bei der Belegung haben wir festgestellt, dass wir eigentlich direkt die nächste Einrichtung aufgrund der Nachfrage aufbauen müssten“, sagt Claudia Lobert. Fünf Kinder zwischen einem und fast drei Jahren besuchen derzeit den Bienenstock an der Nordstraße, davon ein Inklusionskind mit der Diagnose frühkindlicher Autismus.

Kita-Platz-Mangel bringt viele Eltern in verzweifelte Situation

Platz wäre in der Großtagespflege, bei der laut Definition zwei Tagesmütter im Verbund die Kinder betreuen, eigentlich für neun Kinder, ein Inklusionskind zähle dabei allerdings für zwei, erklärt Lobert. Bewusst hätten sie und ihre Tochter sich aber dagegen entschieden, direkt die volle Zahl an Kindern aufzunehmen und den Bienenstock langsam aufzubauen. „Wir haben vor der Eröffnung sicherlich Eltern von 15 Kindern absagen müssen“, zählt sie auf. „Ich verstehe es auch als unseren Job, Familien zu unterstützen, die einen Betreuungsplatz dringend brauchen, um den Alltag zu bewältigen.“

Die Verzweiflung vieler Eltern, die bei der Suche nach einem Betreuungsplatz in einer Kita oder bei einer Tagesmutter leer ausgehen, kann sie gut verstehen: „Eltern möchten ihr Kind natürlich dahin geben, wo sie ein gutes Gefühl haben. Aber den meisten Eltern bleibt ja gar keine Wahl – sie müssen den Platz nehmen, den sie bekommen können.“

In der Großtagespflege, die in Städten wie Düsseldorf zum Alltag gehöre, in Krefeld aber noch recht neu sei, sieht die staatlich anerkannte Heilpädagogin und Erzieherin „ausgesprochen viel Potenzial: Anders als in einer Kindertageseinrichtung mit fünf, sechs oder sieben Gruppen gehe es im Bienenstock zu wie in einem Familienbetrieb. „Die Kinder sollen sich hier bei uns zuhause fühlen. Und: „Wir haben hier den Luxus, ganz flexibel auf jedes einzelne Kind einzugehen“, sagt Lobert. „Ich kann mir keinen schöneren Job vorstellen. Man kann so viel weitergeben, bekommt aber auch so viel zurück.“ In mehr als 20 Berufsjahren hat die Krefelderin schon in vielen Kitas gearbeitet. Ihre Erfahrung: „Ich finde es schwierig, im Arbeitsalltag den ganz Kleinen zu entsprechen. Es fehlt einfach die Luft, mal nach anderen Möglichkeiten zu schauen, kreativ zu arbeiten.“

Finanzielle Förderung sei nicht selbstverständlich

Leicht sei der Schritt vom Angestellten-Verhältnis in die Selbstständigkeit trotzdem nicht gewesen: Lange hätten sie nach passenden Räumlichkeiten gesucht, bis sie schließlich im März 2018 an der Nordstraße 68 fündig wurden. Die ehemalige Arztpraxis haben Mutter und Tochter zu einer kindgerechten Einrichtung mit vielen Spielmöglichkeiten, Küche und Schlafraum umgebaut – und „dabei komplett auf den Kopf gestellt“: Finanzielle Förderung durch die Stadt dafür sei längst nicht selbstverständlich, die Miete für die Einrichtung müssen Claudia Lobert und Maite Chaves aus eigener Tasche von den Betreuungspauschalen zahlen. Bereut haben sie ihre Entscheidung bislang aber nicht. „Ich bin mir selbst bei der Vorstellung meiner Arbeit treu geblieben“, sagt Lobert.

Besonders bereichernd sei die inklusive Arbeit, für die Chaves derzeit eine Fortbildung für Tagesmütter besucht. Inklusionskinder seien besondere Kinder, die auch „besondere Unterstützung im Sozialkontext brauchen“, betont Lobert. „Hier können die Kinder miteinander und voneinander in der Interaktion lernen.“

Großtagespflege kann ein flexibler Betreuungsansatz sein

In einer Gesellschaft, in der Funktionstüchtigkeit im Mittelpunkt stehe, „ist es wichtig, dass das Andere nicht verloren geht – Humor zum Beispiel“, sagt Lobert. „Es macht Spaß, an diesem Ziel mitzuarbeiten. Ich würde mir wünschen, dass die Einseitigkeit der Lösungsansätze für die fehlenden Plätze ergänzt wird durch Projekte, die den Bedürfnissen der Kinder und Eltern gerecht werden und zeitnah umsetzbar sind.“