RELIGION Außergewöhnliches Evangelium zur Karfreitagslesung
Krefeld · Um die Frage, welche Rolle Judas wirklich spielte, geht es in der Markuskirche in Fischeln.
Thriller-Autor Dan Brown hätte es vermutlich nicht spannender schreiben können: Eine Geschichte von Verrat, der eigentlich ein Auftrag ist – und am Ende steht eine Hinrichtung. Es war eine Sensation, als im Jahr 2006 das Judas-Evangelium entdeckt wurde. Der Stoff, der seitdem viel Raum für Spekulation gelassen hat, wird am Karfreitag ab 15 Uhr in der Markuskirche an der Kölner Straße im Zentrum einer Lesung mit Musikbegleitung stehen.
Das Sensationelle an dem Manuskript, aus dem Kirchenkenner Rolf Albers rezitiert, ist, dass hier Judas Iscariot nicht als der habgierige Verräter Christi dargestellt wird: Der Jünger, der Jesus verriet, wird hier völlig anders geschildert – als der Apostel, der seinen Herrn am besten verstand und ihn auf dessen eigenen Wunsch zur Hinrichtung auslieferte. Jesus selbst gab ihm demnach die Anordnung, indem er ihm sagte: „Du aber wirst sie alle übertreffen. Denn du wirst den Menschen opfern, der mich kleidet“.
An der Echtheit des Manuskripts bestehe kein Zweifel
Der Karfreitag könne Anlass sein, darüber nachzudenken, „ob das geschilderte Spekulation oder lyrische Ausschmückung darstellt oder ob man sein Bild von Judas Iscariot neu überdenken möchte“, sagt Klaus-Norbert Kremers, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und in diesem Fall für die „thematisch passende“ Begleitung durch Orgelwerke von Johann Sebastian Bach und Otto Malling zuständig. An der Echtheit des Manuskripts selbst bestehe kein Zweifel – es entstand in der Mitte des zweiten Jahrhunderts und wurde erstmal um 180 nach Christus erwähnt. An der Identität des Autors schon: Dass es sich dabei wirklich um Judas Iscariot oder einen Schüler handele, dürfe bezweifelt werden. Auch wenn der Text selbst „keinen Deutungsspielraum zulässt und Judas Iscariot klar benennt“. In der Fischelener Markuskirche ist es seit einigen Jahren Tradition, an Karfreitag auch die Evangelien zu lesen, die sonst nicht oder kaum zu hören sind. So wurde im vergangenen Jahr das Petrus-Evangelium vorgetragen, für 2020 ist der Passionsbericht aus den Nikodemusakten geplant.