Integration Kaffee und Behördengänge mit Frau Inge
Inge Krämer und Sabine Trebo helfen seit November 2014 den Flüchtlingen in der Turnhalle Lindenstraße.
Krefeld. An eine Situation innerhalb der vergangenen zwei Jahre erinnert sich Inge Krämer noch ganz genau: „Einer von unseren Syrern wurde fast abgeschoben. Wir haben uns schon auf eine Straßenbarriere eingestellt“, sagt die Krefelderin, die bei dieser Erinnerung mit den Tränen kämpft.
Einer von ihren Syrern, damit bezeichnen Krämer und Sabine Trebo die Flüchtlinge, die in der Turnhalle Lindenstraße seit November 2014 untergebracht sind. Als die neuen Nachbarn ankamen, „sind wir als Privatpersonen einfach mal in der Turnhalle aufgeschlagen“, sagt Krämer, die von den Flüchtlingen nur „Frau Inge“ genannt wird. Im ersten halben Jahr fehlte es den Flüchtlingen an allem, wie die Rentnerinnen berichten: „Wir haben am Anfang erst mal warme Getränke und vor allem Toilettenpapapier hingebracht. Der Beginn war schwierig, da musste alles erkämpft werden.“
Für Trebo war ein Hauptanliegen, die Menschen in der neuen Heimat zu integrieren, und: „Integration heißt, unsere Kultur näher zu bringen. Deswegen haben wir zum Beispiel auch Martinslieder mit den Flüchtlingen gesungen und ihnen kleine Pakete zu Weihnachten fertiggemacht.“
Die ersten Probleme kamen aber erst später: „Anfangs war es ja nur etwas Kaffee und Milch bringen. Wir haben nicht kommen sehen, wie sich das alles entwickeln würde“, gesteht Trebo. Zu Beginn habe sie auch allen bereitwillig ihre Handynummer gegeben, „aber dann kam auch mal ’ne Whats-App mit einer Frage nach einer Küchenmaschine. Die Flüchtlinge wollten spätabends gern Falafel machen“, berichtet Trebo lachend. Danach hat sie dann doch nur noch für Notfälle ihre Handynummer herausgegeben.
Inge Krämer, ehrenamtliche Flüchtlingshelferin
Krämer schlägt vor allem über die ganzen Anträge, die die Flüchtlinge ausfüllen müssen, ihre Hände über dem Kopf zusammen: „Da blickt man manchmal selber nicht mehr durch. Sobald die Flüchtlinge in der Turnhalle eingezogen sind, kommen zum Beispiel Briefe der GEZ, in denen die Flüchtlinge zum Zahlen aufgefordert werden.“
Einem Flüchtling wurde sogar ein Festnetzvertrag für die Turnhalle verkauft: „So etwas dann rückgängig zu machen, kann dauern. Deswegen ist für die Flüchtlinge immer klar, wenn sie etwas unterschreiben müssen: Frau Inge muss dabei sein.
Die Behörden oder Arztgänge nehmen schon sehr viel Zeit in Anspruch, berichtet Krämer: „Wenn ich nicht Rentnerin wäre, könnte ich das alles gar nicht stemmen. Mittlerweile ist das ein Vollzeit-Beruf, denn es hört ja bei den Behördengängen nicht auf. Man muss auch gemeinsam Kaffee trinken, um die Menschen kennenzulernen. Wir sind für viele ein Familien-Ersatz.“
Und die „Ersatz-Familie“ ist sich bewusst, in welcher Situation sie hier leben dürfen: „Ich sage immer, jeder Deutsche soll sich mal in Ruhe hinsetzen und sich vorstellen, dass er nur einen Rucksack hätte und damit fliehen müsste. Was würde man mitnehmen? Ich habe zwei Söhne und hoffe nur, dass sie niemals in so eine Situation kommen und wenn doch, dass es Menschen gibt, die ihnen helfen und auch eine Ersatz—Familie für sie sind“, sagt Trebo. Auch für Krämer ist es eine Selbstverständlichkeit, zu helfen: „Natürlich ist es manchmal zermürbend und aufwühlend, aber oftmals lachen wir auch gemeinsam. Wenn sich die Menschen dann bei einem bedanken, erdet das einen ungemein, und die eigenen Probleme relativieren sich.“
Zum Abschluss des Gesprächs, das Trebo und Krämer mit ihren vielen Anekdoten noch ewig hätten weiterführen können, meint Trebo schmunzelnd: „Hätte ich gewusst, was alles passiert, hätte ich einen Blog gemacht.“