Krefeld Kollegen wollten Betriebsrat gründen - Fressnapf feuert fristlos
Betriebsräte werden in Krefeld immer öfter verhindert. Einige Beispiele.
Krefeld. Freitag um 13 Uhr beginnt im Arbeitsgericht ein öffentlicher Prozess, der eine gewisse Symbolkraft für eine besondere Entwicklung in vielen Krefelder Betrieben hat. Ein Arbeitnehmer vom Tierfutterriesen Fressnapf klagt gegen seine fristlose, bislang unbegründete Kündigung. Laut Gewerkschaft und Arbeitslosenzentrum erging es ihm wie sechs anderen Kollegen, die gemeinsam einen Betriebsrat gründen wollten. DGB-Chef Ralf Köpke macht das Thema Mitbestimmung in Krefelder Betrieben große Sorgen: „Das hat System, vielerorts werden Betriebsräte mit allen Mitteln verhindert.“
Köpke zitiert das Betriebsverfassungsgesetz, demzufolge jedes Unternehmen einen Betriebsrat gründen solle, und berichtet von heftigen Verhinderungsfällen in Krefeld, „wo so genannte Söldneranwaltskanzleien von Arbeitgebern eingesetzt werden, um Betriebsratsgründungen und gewerkschaftliche Rechte zu verhindern. Es gibt massiven Druck auf Beschäftigte, die einen Betriebsrat gründen und eben diese Rechte in Anspruch nehmen wollen. Drohungen, Kündigungen und der Versuch des Rauskaufens von Betriebsräten gehören zum Alltag des Wirtschaftslebens, leider auch bei uns am Niederrhein.“
Für Fressnapf ist es nicht die erste Schlagzeile dieser Art. 2011 berichtete die WZ über die Herren Corak und Sona, die ebenfalls ohne Angabe von Gründen gefeuert worden waren. Sona bekam seinerzeit im elften derartigen Arbeitsgerichtsprozess innerhalb eines Jahres eine Abfindung zugesprochen. Damals lautete der Vorwurf der Arbeitnehmer und Anwälte, Fressnapf habe die Bemühungen sanktioniert, einen Betriebsrat zu gründen. Heute auch.
Köpke ist davon überzeugt, dass Fressnapf sich lieber kurzerhand von Personal trennt als eine Arbeitnehmervertretung einzurichten. „So ist es uns und dem Arbeitslosenzentrum, wo die Gekündigten Beratung finden, sehr glaubhaft und anschaulich mitgeteilt worden.“ Demnach hätten sich 15 Fressnapf-Kollegen außerhalb der Firma getroffen, um die Möglichkeiten durchzuspielen, dies sei aber durchgesickert, bis zu sieben Kollegen hätten die fristlose Kündigung erhalten. Und einer von ihnen stehe eben am Freitag vor dem Arbeitsgericht. Auch bei der WZ hatte sich ein Betroffener telefonisch gemeldet, dann aber aus Existenzängsten zurückgezogen.
Bei Fressnapf heißt es dazu: „Grundsätzlich spricht Fressnapf nur dann fristlose Kündigungen aus, wenn ein gravierendes, individuelles Fehlverhalten vorliegt. In Unternehmen unserer Größe kommt es leider in Einzelfällen zu solch arbeitsrechtlich relevanten Verstößen seitens Beschäftigter. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns darüber hinaus zu laufenden Verfahren nicht äußern“, sagt Sprecher Christian Peters-Lach und bestätigt zugleich einen anderen Arbeitsgerichtsprozess, bei dem einem Angestellten Diebstahl vorgeworfen wird.
Die Zeiten der großen mitbestimmten Betriebe haben sich auch in Krefeld einem Wandel unterworfen, meint Ralf Köpke. „Gerade hier in der ,Stadt aus Samt und Seide’ verzeichnen wir seit Jahren einen Abbau industrieller Arbeitsplätze, hingegen wachsen der Dienstleistungssektor sowie die Zahl der kleineren Betriebe. In diesem Strukturwandel wird es in der Zukunft für alle Beschäftigten und für die Gewerkschaften eine Mammutaufgabe sein, auch in diesem Bereich die Pfeiler von betrieblicher und gewerkschaftlicher Mitbestimmung durchzusetzen.“
Die Begriffe „Union Busting“ oder „Betriebsrat Bashing“ stünden für eine neue Kultur. „Wir müssen in den letzten Jahren nicht nur eine zunehmende Tarifflucht von Betrieben verzeichnen, Beispiel hierbei Röhr und Stollberg, Ausgliederungen bei Siempelkamp, und exemplarisch sei hier die KFZ-Branche genannt. Es ist nicht zu akzeptieren, dass lediglich drei große Autohäuser in dieser Stadt sich noch an Tarifverträge halten.“ Borgmann, sagt Köpke, tue es nicht. Genau so wenig wie Schulz, Certus oder Theo Wirtz. Bei der Großwäscherei Holterbosch rede die Geschäftsleitung nicht mal mehr mit einem mittlerweile halbierten Betriebsrat.
Kritik gibt es auch für Arbeitgeberverbände und Innungen, die in ihrem Verband eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung duldeten oder sogar akzeptierten. Es sei unabdingbar, Druck auszuüben. „Schwarze Schafe müssen wir deshalb öffentlich machen. Belegschaften sind aus Angst um ihren Arbeitsplatz leicht unter Druck zu setzen und werden erpresst schon bei den ersten Versuchen, in Richtung Betriebsratsgründungen zu gehen. Wir haben hier in Krefeld eine echte Schieflage.“