Komasaufen nicht nur an Karneval

Georg Spilles leitet die Suchtvorbeugung der Caritas. Mit der WZ sprach er über den Alkoholkonsum Jugendlicher.

Georg Spilles arbeitet seit 20 Jahren bei der Caritas. Er leitet die Suchtvorbeugung.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Krefeld. Wenn man aktuellen Studien glaubt, steigt der Alkoholkonsum von Krefelder Kindern und Jugendlichen. Die WZ sprach mit Georg Spilles, Leiter der Suchtvorbeugung beim Caritasverband, über Statistiken, Ursachen und Lösungen.

Herr Spilles, die Zahl jugendlicher „Komasäufer“ in Krefeld steigt. Wie nehmen Sie die aktuelle Entwicklung wahr?

Georg Spilles: Ich bin da eher vorsichtig geworden. Ich glaube, es gibt einen vermeintlichen Anstieg, weil wir dem Problem mehr Beachtung geschenkt haben. Kinder und Jugendliche haben schon immer getrunken.

Nach unseren Informationen sind die Steigerungsraten in den letzten fünf Jahren erstmalig wieder stagnierend. Insgesamt wird jetzt sogar weniger getrunken. Aber einige der Jugendlichen, die trinken, trinken jetzt eklatant viel.

Woran liegt das?

Spilles: Ein Teil der Jugendlichen ist mit den täglichen Anforderungen überfordert. Schule, Liebeskummer, Mobbing — das ist ein enormer Druck. Jugendliche wollen sich durch ein hohes Risikoverhalten selbst wahrnehmen. Wir leben in einer Gesellschaft mit einer starken Reglementierung, da bleibt für die Jugendlichen wenig Raum zum Experimentieren. Das Verbot ist ein Reiz, das bedeutet aber nicht, dass man das Mindestalter runtersetzen sollte.

Wie können Eltern ihren Kindern bei dieser Selbstfindung helfen?

Spilles: Die Lösungen sind vielseitig. Wichtig ist, dass wir beim Umgang mit Alkohol ehrlicher sind. Es ist normal, dass Jugendliche sich ausprobieren wollen. Eltern sollten ihre Kinder langsam heranführen, zum Beispiel mit Hilfsregeln: Du bist zu einer vereinbarten Uhrzeit ansprechbar wieder zu Hause. Man muss die Eltern bestärken, dass sie ihre Kinder ansprechen und Grenzen setzen.

Wie kann man mit den Jugendlichen arbeiten?

Spilles: In unseren Projekten wird den Jugendlichen klar, dass sie aufeinander achtgeben müssen und dass der, der am meisten trinkt, keinen Beifall bekommen sollte. Die wahren Helden sind die Jugendlichen, die ihre Freunde nach Hause bringen, die dafür sorgen, dass alle sicher sind. Das muss deutlicher werden.

Mit ihren Projekten besuchen Sie Klassen aller Schulformen. Wie läuft das ab?

Spilles: Wir arbeiten mit vielen Einrichtungen zusammen. Mit der Präventionsstelle der Polizei machen wir seit drei Jahren die Aktion „Durchblick“, bei der die Schüler verschiedene Stationen durchlaufen. Sie erfahren, was Alkohol für ein Stoff ist und reflektieren das eigene Sozialverhalten: Macht mich das wirklich an, wenn mein Gegenüber betrunken ist? Wer übernimmt Verantwortung?

Bei Übungen mit einer Rauschbrille spielen wir realistische Situationen nach. Zum Beispiel mit verschwommenem Blick Hilfe holen, ein Schloss aufschließen oder der Mutter mit einem geliehenen Handy eine SMS schicken.

Gibt es spezielle Angebote vor oder während der Karnevalstage?

Spilles: Außer den Angeboten in den Schulen machen wir nichts. Wir tun so, als ob Alkohol sonst nicht stattfindet. Natürlich gibt es an Karneval einige Ausfälle, aber da muss nicht noch mehr Augenmerk draufgelegt werden.

Welches Ziel verfolgen die Projekte?

Spilles: Für uns ist wichtig, dass es nicht der erhobene Zeigefinger ist. Wir wollen keine Angst schüren. Die Jugendlichen müssen ihre Konsummuster selbst erkennen und steuern lernen.

Wie sind die Reaktionen?

Spilles: Das Feedback ist sehr gut. Die Jugendlichen finden gut, dass man offen darüber spricht. Wichtig ist auch, dass die Lehrer das Thema mit in den Unterricht tragen. Man kann aber sagen, dass die Jugendlichen schon viel wissen und vorsichtiger geworden sind. Das ist eine erfreuliche Entwicklung.