Kriminalität Kopfschuss in Krefeld: Was ein Jahr nach der Tat bekannt ist

Krefeld · Am Abend des 28. November 2022 kam es zur Bluttat in der Krefelder Südstadt. Die Täter haben Polizei und Staatsanwaltschaft bislang noch nicht dingfest gemacht. Auch sonst sagen sie nicht viel zum Kriminalfall, der sich jetzt zum ersten Mal jährt.

Am Abend des 28. November wurde auf der Garnstraße ein Mann auf offener Straße erschossen.

Foto: Alex Forstreuter

Für die Anwohner der Garnstraße müssen es aufwühlende Stunden gewesen sein. Mehrere von ihnen melden am 28. November 2022 gegen 20 Uhr Schüsse bei der Polizei. Kurz darauf ist die Straße von Blaulicht erhellt. Beamte sperren die Straße, befragen Zeugen, sammeln Spuren. Das Problem: Augenzeugen der Bluttat selbst, bei der ein 42-jähriger Mann durch einen Schuss in den Hinterkopf getötet wurde, gibt es nicht. Erst nach den Schüssen beobachten Anwohner, wie zwei Männer in Richtung Alter Deutscher Ring flüchten. Deshalb ist zunächst unklar, ob der Mann in einem Hinterhalt heimtückisch ermordet wurde oder es vor den Schüssen zu einem Streit kam.

Auch heute, ein Jahr später, ist in der Öffentlichkeit beinahe nichts bekannt über die Hintergründe oder die Täter. Denn Polizei und Staatsanwaltschaft haben bislang keine Ergebnisse präsentiert. Offenbar aber gibt es noch genug ausreichende Ermittlungsansätze, um die Behörden an die Aufklärung dieses Kapitalverbrechens glauben zu lassen. Welche das sind? Dazu hält sich die Staatsanwaltschaft Krefeld auf Nachfrage bedeckt. Auf einen Fragenkatalog der WZ antwortet Staatsanwältin Sonja Pelka kurz und knapp: „Die Ermittlungen in dem von Ihnen angefragten Verfahren dauern auch weiterhin an. Mit Blick darauf kann ich Ihnen keine weiteren Auskünfte erteilen.“

Wurde die vermeintliche Tatwaffe bei Durchsuchungen gefunden?

Zu den noch offenen Fragen zählt etwa die nach der Tatwaffe: Rund 30 Bereitschaftspolizisten hatten einen Tag nach dem Tötungsdelikt an der Garnstraße auch mit Sprengstoff-Spürhunden Grünstreifen und Rasenflächen rund um den Alten Deutschen Ring nach der Tatwaffe abgesucht. Ob sie bei den Durchsuchungen nahe dem Tatort gefunden worden ist, wollte die Staatsanwaltschaft bereits im Dezember vergangenen Jahres nicht beantworten. Auch Details zur Art der Waffe werden aus ermittlungstaktischen Gründen und mit dem Verweis auf Täterwissen nicht genannt. Dabei bleibt es bis heute.

Welche Rolle spielt das verdächtige Fahrzeug?

Im Zuge der Ermittlungen inspizierten die Beamten der Bereitschaftspolizei auch mehrere parkende Autos, schauten unter ihnen nach Tatwaffe und Patronenhülsen. Ein Fahrzeug geriet dabei besonders in den Blickpunkt der Polizisten. Es wurde abgeschleppt. „Wir können bestätigen, dass das Fahrzeug in Verbindung zu der Tat steht“, erklärte damals eine Polizeisprecherin, ohne Details zu nennen, in welcher Verbindung genau. Das Fahrzeug werde ebenso überprüft wie die sichergestellten Projektile. Gehörte das Fahrzeug dem 42-jährigen Opfer oder den Tätern? Gab es in dem Fahrzeug auswertbare Spuren, die auf mögliche Verdächtige hinweisen? Ist das Auto noch von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt? Auch hierzu gibt es auf erneute WZ-Anfrage lediglich die Antwort: „Die Ermittlungen dauern an.“

Wurde das Opfer
zufällig ausgewählt?

Dass der 42-jährige Albaner ein Zufallsopfer ist, wurde bereits kurz nach der Tat vehement verneint. Der frühere Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Krefeld, Axel Stahl, der inzwischen bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf tätig ist, hatte betont: „Wir schließen aus, dass er ein Zufallsopfer ist. Die Art und Weise der Tat spricht dagegen.“ Ermittelt werde dennoch in alle Richtungen. Möglich seien verschiedene Szenarien. So sei es möglich, dass die Tat in Verbindung mit „illegalen Geschäften mit Betäubungsmitteln“ stehe, in die das Opfer – ein „Kleindealer“ ohne festen Wohnsitz in Krefeld – mehrfach verwickelt gewesen ist. Auch aufgrund von Eigentumsdelikten sei der 42-Jährige bereits polizeibekannt gewesen.

Was ist bislang zu den Ermittlungen bekannt?

Nur drei Tage nach dem Kopfschuss präsentierten die Ermittler einen ersten Ermittlungserfolg. Bei einem Einsatz im Rahmen des „Präsenzkonzeptes Innenstadt“ wurden auf dem Theaterplatz, der damals noch beliebter Treffpunkt der Drogenszene war, ein 20- und ein 26-Jähriger festgenommen. Die Festnahme der beiden Albaner sei zunächst nicht hauptsächlich aufgrund der Ermittlungen zum Mordfall erfolgt, sondern weil es noch „anhängige Verfahren“ gegeben habe, wie eine Polizeisprecherin damals erklärte. Ein Abgleich mit den laufenden Ermittlungen der Mordkommission habe den Tatverdacht gegen die Männer auch hinsichtlich des Tötungsdelikts an der Garnstraße begründet. Ein Haftrichter erließ deshalb Haftbefehl wegen Totschlags und ordnete Untersuchungshaft an. Doch nur wenige Tage später folgte die Rolle rückwärts: Der dringende Tatverdacht habe nach den weiteren Ermittlungen gegen die beiden Männer nicht aufrechterhalten und nicht in einen hinreichenden Tatverdacht verwandelt werden können, weshalb der Haftbefehl aufgehoben wurde, räumte Axel Stahl damals ein. Im Zuge der weiteren Ermittlungen hätten Zeugen weitere Tatverdächtige benannt, deren Wohnungen durchsucht worden seien, hieß es im Mai von der Staatsanwaltschaft. Die Maßnahme verlief jedoch ohne Erfolg.

Wie wurden die mutmaßlichen Täter beschrieben?

Augenzeugen hatten gegenüber der Leitstelle der Polizei von zwei Männern gesprochen, die in Richtung Alter Deutscher Ring geflüchtet waren. Einer davon sei „normal groß“ gewesen und habe eine „normale Statur“ gehabt. Zur Tatzeit trug er eine dunkle Jacke, eine helle Hose und eine helle Kopfbedeckung. Der zweite Mann war nach Polizeiangaben ebenfalls „normal groß“. Er trug eine dunkle Jacke mit „einem auffälligen Logo auf dem Rücken“, das allerdings nicht näher beschrieben werden konnte, sowie eine dunkle Hose und eine dunkle Mütze.

Werden Ermittlungen nach einer gewissen Zeit eingestellt?

Nein, gerade bei Kapitalverbrechen sei das Bevölkerung und den Angehörigen der Opfer nur schwer zu vermitteln, so die Staatsanwaltschaft. Nicht umsonst gibt es sogenannte Cold Cases, die bei neuen Ermittlungsansätzen wieder aufgenommen werden. Für den Fall an der Garnstraße gilt ohnehin: „Die Ermittlungen dauern an.“