Geheimnisvolle Kirchenwelt Ein Ausflug in die Grabkammern unter der Kirche St. Dionysius
Mitte · Ein Rundgang führt aufs Dach und in die versteckten Winkel des Kellers.
Die beiden großen Metallgitter im Mittelgang der St. Dionysiuskirche knirschen beim Öffnen laut. Das Geräusch hallt durch den großen Raum. Die etwa 40 Teilnehmer am Rundgang durch das Gotteshaus – vom Keller bis zum Dach – sind neugierig. Sie steigen die 14 Stufen in das Tonnenngewölbe hinab, das einst als Friedhof diente. Es ist ein Bereich, der sonst nicht zugänglich ist.
Die Besucher müssen in Höhe des Kirchenbodens die Köpfe einziehen. Die Menschen waren früher kleiner. Wände und Decke der Katakomben sind aus Ziegeln gemauert. Sie stammen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Schmale Gänge und Seitenräume bilden mit dem Tonnengewölbe eine Kreuzform. Es besteht ein weiterer ziemlich niedriger Ausgang zur Breite Straße. „Zuerst existierte hier der Friedhof für ganz normale Leute“, berichtet Kirchenführer und Cityseelsorger Ulrich Hagens aus der Geschichte. „Als darüber mit dem Kirchenbau begonnen wurde, entstanden die Grabnischen.“ Sie sind zugemauert und befinden sich in drei Reihen übereinander. Es sind zwölf in jeder Reihe, so dass im Ganzen 72 Grabkammern vorhanden sind.
Initialen und Kreuze sind
noch schwach zu erkennen
Nur schwach sind die Inschriften auf den Platten zu entziffern. „Am besten ist noch die des 19-jährigen Johannes Heinrich Busch zu lesen: ,Er starb im Jahre 1755 am 5. März‘. Als erste fand die Witwe Gertrud Bürsten aus dem ,halben Mond‘, der heutigen Königstraße, am 22. April 1753 ihre letzte Ruhestätte“, sagt Hagens. Ansonsten sind nur noch Fragmente zu erkennen, meistens Initialen und eingeritzte Kreuze.
Prior von Meer hat den Katakomben 1753 die kirchliche Weihe erteilt. Ab 1757 diente der Totenkeller nur noch als Begräbnisstätte für die Geistlichkeit und den Kirchenvorstand. Die anderen Gemeindemitglieder wurden auf dem dann fertigen Friedhof auf dem Dionysiusplatz beerdigt. Hagens: „Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Raum genutzt. Dann wurde er vermauert und vergessen.“
Besucher Franz-Joseph Greve, früherer stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstandes, ergänzt: „Dennoch hält sich hartnäckig das Gerücht, dass es einen Gang aus den Katakomben bis zum früheren Kloster gab und gibt, dorthin, wo sich heute der Schwanenmarkt befindet. Die Menschen sollen dort im Zweiten Weltkrieg Sachen versteckt haben.“
Wären 1907 nicht Ausschachtungsarbeiten für eine neue Heizung notwendig gewesen, wer weiß, ob diese Katakomben überhaupt wiederentdeckt worden wären. Hagens: „Es flößte den Arbeitern keinen geringen Schrecken ein, als sie auf einmal ein Geräusch vernahmen von Totengebeinen, die, als sie der Tagesluft ausgesetzt waren, in sich zusammenfielen und nur ein armseliges Häuflein Staub und Knochenreste übrigließen.“
Barbara Kabbani ist bereits von der ersten Station des Rundgangs begeistert. „Wir erfahren hier viele Dinge. Dieser Besuch ist eine große Chance, Bereiche zu sehen, die sonst nicht zugänglich sind.“ Karin Spütz ist ebenfalls begeistert: „Im Urlaub besuche ich jedes Gotteshaus. Nur vor Ort nicht. Ich bin von den alten Schätzen begeistert.“ Freundin Rosemarie Tophoven ergänzt: „Ich bin oft hier für ein kleines Gebet, aber die Historie kennt man nicht.“
Die hält Hagens parat. „So stammt der Korpus Christi am Hauptkreuz über dem Altar aus dem 14. Jahrhundert und ist das älteste Stück der Kirche. Der Taufstein datiert aus 1745 und stammt aus der nahegelegenen Klosterkapelle. Die klassizistische Hallenkirche mit den 20 Säulen selbst wurde 1756 fertig und weist einige Besonderheiten auf: Sie ist nicht wie andere Gotteshäuser nach Osten gerichtet, zum Sonnenaufgang hin, sondern nach Westen, weil sie so besser zugänglich war. Demnach befand sich die Kanzel links, nicht rechts und auch die Kreuzwegstationen sind ,andersherum’ angebracht.“
Auf der Empore, an der Klais-Orgel mit ihren 40 Registern, sind die Besucher den Fenstern des Glaskünstlers Hubert Spierling ganz nah. Eines von ihnen hat den Turmbau zu Babel zum Thema, ein anderes das Pfingstereignis mit den roten Zungen. Kabbani: „Der Blick von hier oben aus zeigt den mächtigen Kirchenraum.“
Besucher Bruno Hüstermann erzählt: „Ich habe hier als Sängerknabe des bischöflichen Kirchenmusikdirektors Leo Goll gesungen. Der Aachener Dom ist mein liebster“, erklärt er, und: „Der Kölner Dom hat einen Aufzug.“
Denn nun geht es hinauf bis auf das Dach des Hauptschiffes. Die steinerne Wendeltreppe ist sehr schmal, nur wenig beleuchtet, die ersten Besucher winken ab, bleiben unten. Das Gewölbe zu sehen, lohnt jedoch den Aufstieg. Es ähnelt einer Kraterlandschaft und wurde erhalten, während der hölzerne Dachstuhl durch eine Brandbombe im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.
Hier sind die Interessierten auch den Glocken ganz nahe. Die erklingen alle 15 Minuten und dann ist es ziemlich laut so weit oben im Turm. Marco Hüsing ist Küster in Oppum. Er berichtet: „Ich sehe mir heute die Kirche der Kollegen an. Ich bin über die Größe der Dionysiuskirche und das monumentale Gewölbe fasziniert. Kirchenbauten sind für mich gelebte Frömmigkeit.“