Wirtschaft Mehr Beschäftigte erhalten nur Kurzarbeitergeld

Krefeld · Bei der Gewerkschaft IG Metall rechnet man mit einer weiter wachsenden Zahl in Krefeld – auch wegen des Corona-Virus.

 Ralf Claessen, Geschäftsführer der IG Metall Krefeld, warnt vor den Auswirkungen des Corona-Virus auf die lokalen Unternehmen.

Ralf Claessen, Geschäftsführer der IG Metall Krefeld, warnt vor den Auswirkungen des Corona-Virus auf die lokalen Unternehmen.

Foto: ja/Bischof, Andreas (abi)

Die Deutschen Edelstahlwerke (DEW), PWK und TAG gehören zu den Unternehmen in Krefeld, die aktuell in der Kurzarbeit stecken – und nicht nur sie. Nach den aktuellsten Zahlen der Agentur für Arbeit dürften in etwa sieben Betrieben in der Stadt Mitarbeiter derzeit weniger eingesetzt werden und deshalb auf Teile ihres Einkommens verzichten müssen.

Ralf Claessen, Geschäftsführer der Krefelder IG Metall, geht davon aus, dass es 2020 „noch schlimmer wird“. Vier Argumente machen das für ihn absehbar: „Die Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft werden nicht besser, die Krisenherde sind nicht befriedet, Trump macht keine andere Politik und das Corona-Virus wird durchschlagen.“ Für die Branchen in Krefeld seien das „keine guten Aussichten, dass es besser wird“. DEW, PWK und TAG würden „ganz sicher weitere folgen“.

Automobilzulieferer – zu denen auch PWK gehört – hätten es sowieso schwer. In der Stahlindustrie als „Abnehmerbranche“ sei die „Konjunktur mäßig, der Wettbewerb hart, und es mangelt an Investitionen“, bilanziert Claessen. Maschinenfabriken gehörten zu den wahrscheinlichen Kandidaten für Kurzarbeit.

Das eigentliche Ziel dieses arbeitsmarktpolitischen Instruments ist: Beschäftigung sichern und die Produktion am Laufen halten. „Es geht darum, kurze Tiefs von drei bis sechs Monaten zu überleben, wenn es schlimm ist, auch 12 oder 24 Monate“, erläutert Claessen. Kriterien dafür, dass Unternehmen Kurzarbeit einführen dürfen und die Bundesagentur für Arbeit einen Teil der Zahlungen an die Beschäftigten übernimmt, sind unter anderem ein Minimum von zehn Prozent Umsatzeinbußen. Mindestens 30 Prozent der Mitarbeiter müssen betroffen sein.

Unterschieden wird zwischen konjunktureller, saisonaler und struktureller Kurzarbeit. Konjunkturell ist sie dann, wenn sie durch die gesamtwirtschaftliche Lage ausgelöst wird. Als saisonal gilt sie zum Beispiel in Branchen wie der Bauindustrie oder beispielsweise bei Herstellern für Gartenzubehör, die einem jahreszeitlichen Auf und Ab ausgesetzt sein können. „Kurzarbeit soll ein temporäres Instrument sein. Denn sonst besteht die Gefahr, dass Arbeitgeber es als ein Kostenregulierungsinstrument nutzen“, erläutert Claessen.

Problematisch ist für den Gewerkschaftsmann die dritte Art von Kurzarbeit — die strukturelle. „Das betrifft Betriebe, in denen die Produktionsweise oder der Markt so verändert sind, dass das komplette Geschäftsmodell in Frage steht. Also wie vor Jahren im Fall der Textilindustrie, im Bergbau oder im Stahl- und Maschinenbau in Krefeld.“ Eigentlich sei Kurzarbeit in ihrer üblichen Form für diese Fälle nicht der richtige Weg. „Aus der strukturellen Kurzarbeit heraus besteht die Gefahr, dass sie für die Beschäftigten in struktureller Arbeitslosigkeit endet.“

Digitalisierung und Klimawandel sind nur zwei Beispiele für Herausforderungen, die Umbrüche für den Arbeitsmarkt bedeuten. Arbeitsplätze werden auf der einen Seite abgebaut, woanders entstehen neue. Für die Beschäftigten verändern sich die Tätigkeiten und die Anforderungen. Einerseits werden andere Qualifikationen nötig, andererseits sind diese schneller wieder nicht mehr von Nutzen.

Nach dem aktuellsten Beschäftigungsausblick der internationalen OECD (Organization for Economic Cooperation and Development/Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) dürften sich allein durch die Digitalisierung 35,8 Prozent der Jobs in Deutschland stark verändern.

Umso mehr freut sich Claessen über eine Entscheidung des Bundeskabinetts, das Kurzarbeitergeld zu optimieren. Die Details sind noch nicht geklärt. Aber es ist in Aussicht gestellt, wie es in einer Erklärung des Bundeswirtschaftsministeriums von Ende Januar hieß, „auch vor dem Hintergrund des Transformationsprozesses in der Automobilindustrie bei den Zulieferern, die mittelständisch geprägt sind, dass wir diesen Transformationsprozess durch kluge Regelungen bei der Qualifizierung und Verbesserung beim Kurzarbeitergeld unterstützen“.

Wichtigstes Ziel des sogenannten Transfer-Kurzarbeitergeldes muss aus Sicht von Ralf Claessen sein, dass so die Kurzarbeitsphasen genutzt werden können, um „etwas an der Einsatz- und Vermittlungsfähigkeit der Mitarbeiter zu tun“. Denn was nützt es, durch das Herunterfahren der Produktion und Kurzarbeit schwere Zeiten zu überbrücken, wenn schon klar ist, dass am Ende keine Zukunft für das Unternehmen besteht — zumindest nicht in seiner momentanen Aufstellung. „Schon jetzt gibt es Beispiele wie bei VW, bei denen geschaut wird, was können die Mitarbeiter denn wohl noch, außer Autos bauen“, sagt Claessen.

Das eine tun, ohne das andere zu lassen — die Weiterbildung für Mitarbeiter für den Fall der Fälle, also ein Aus des Unternehmens trotz aller Rettungsversuche unter anderem mit Hilfe von Kurzarbeit ist schon jetzt über das Qualifizierungschancengesetz möglich. Die IG Metall rate Betriebsräten von Unternehmen mit Kurzarbeit stets dazu, über Betriebsvereinbarungen festzuhalten, dass das Aufstocken durch Kurzarbeitergeld mit einer Qualifizierung einhergeht. „Es muss immer um die Überführung von Arbeit in Arbeit gehen“, so Claessen. „Denkbar sind zum Beispiel Ausgründungen, Zusammenarbeit mit anderen Partnern wie Hochschulen. Eventuell könnte auch eine externe Beratung in der Gesetzgebung verankert werden.“