Krefeld Warum eine Frau mit 51 Jahren ins Kloster geht
Krefeld · Brigitte Glander hat sich von ihrer Heimat verabschiedet, ihre Praxis aufgegeben und ist von langjährigen Freunden weggezogen. Und das alles, um mit den Franziskus-Schwestern in Krefeld zu leben und sich hier um junge Leute zu kümmern.
Fünf Franziskus-Schwestern leben im Kloster am Jungfernweg mitten in Krefeld. Fünf Ordensschwestern, die jüngste 81 Jahre alt. Fünf Frauen, die ihrem Losungsspruch folgen „Miteinander in Freude dienend Gottes Liebe zu uns Menschen bezeugen“. Ganz neu zu ihnen gezogen: Brigitte Glander. Vor einem halben Jahr ist die jetzt 51-Jährige ins Kloster gezogen. Sie hat sich von ihrem bisherigen Zuhause in Erpel verabschiedet, von ihrer pädagogisch-therapeutischen Praxis und von Freunden und Bekannten.
„Ich war glücklich dort“, sagt sie über ihre bisherige Heimat im Landkreis Neuwied in Rheinland-Pfalz. „Ich habe in diesem idyllischen Dorf am Rhein von meinem kleinen Fachwerkhaus auf dem Berg auf den Fluss gucken können. Ich habe mich wohl gefühlt. Wenn ich nachgedacht habe, wie es mir geht, war das Ergebnis: Alles kann so bleiben, wie es ist“, erzählt Brigitte Glander, von Hause aus Förderschullehrerin für lernbehinderte Kinder. Als diplomierte Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin machte sie sich mit ihrer Praxis 2012 selbstständig. Mit ihrem Schwerpunkt pädagogische Diagnostik und Förderung wollte sie Kindern und Jugendlichen „auf dem schulischen Weg Erleichterung verschaffen“, wie sie es formuliert. Und die Praxis lief bestens.
Wenn Brigitte Glander von den Entwicklungen der vergangenen Monate erzählt, wirkt sie selbst ein bisschen überrascht. Über ihre Entscheidung, ins Kloster zu gehen, spricht sie ruhig, mit einem immer wieder aufblitzenden Lächeln. Wenn sie dabei kurz nachdenkt, blickt sie versonnen auf ihre eigenen Hände. Bestätigt sich selbst ihr dann durchscheinendes leichtes Erstaunen über ihren Schritt mit einem knappen „Ja“. Und lächelt wieder.
Eigentlich sollte es nur ein Besuch für ein Wochenende im Gästehaus des Krefelder Klosters werden. Ein Bekannter hatte ihr immer wieder von dem Mutterhaus der Krefelder Franziskus-Schwestern erzählt, die hier Raum für Seminare, spirituelle Wochenenden für Gruppen oder einfach nur eine Oase für Einzelpersonen bieten, die einmal aus dem Alltagstrott herauskommen wollen.
Vor einem Jahr kam dann auch Brigitte Glander als Gast in dieses Haus. „Die Schwestern habe ich damals fast nicht zu Gesicht bekommen, die bereiteten gerade das Ordensjubiläum vor“, sagt die 51-Jährige, die das Kloster kennenlernen wollte und sich auf ein Wiedersehen mit ihrem langjährigen Bekannten freute, einem Mitbruder aus dem Dritten Orden des Heiligen Franziskus, einem Zusammenschluss von Menschen, die den franziskanischen Weg gehen, allerdings abseits von klösterlichen Pfaden ihre Berufe haben, ihre Familien (siehe Kasten). Seit mehr als 20 Jahren gehört Brigitte Glander selbst dem Dritten Orden an. In Erpel hatte sie auch einen Franziskus-Kreis gegründet, in dem sich Menschen über „Gott und die Welt austauschen können und sich auch in schwierigen Zeiten Mut und Trost zusprechen“.
Ob Gottesdienst, stille Einkehr, Austausch mit anderen Gläubigen, franziskanische Lebensweise, für die 51-Jährige gehört das zum Leben dazu. Und doch hatte das Krefelder Kloster auf sie eine neue, nie gefühlte Wirkung. Als sie sich zum ersten Mal in die Klosterkapelle setzte, die auch jetzt noch zu ihren liebsten Orten im Haus gehört, habe sie gedacht: „Wie schön, wie vertraut, obwohl ich noch nie hier war.“ Wenn sie über die Flure zum Zimmer gegangen sei, habe sie sich gewundert. „Es war merkwürdig. Ich habe mich wie zuhause gefühlt.“ Nach der Abreise sei sie durch Krefeld auf die Autobahn gefahren. Und dort sei es wie ein Blitzschlag gewesen. „Eine Kraft hat mich zurück zum Kloster gezogen“, sagt sie heute. Und dieses Gefühl habe sie Tag und Nacht nicht losgelassen.
Sie kam kurze Zeit später wieder, führte auch Gespräche mit der Oberin, Schwester Alfonsa. Alle zwei Wochen war sie zu Besuch in Krefeld. Und der Entschluss reifte, ins Kloster zu gehen. Gerne wäre sie auch als Nonne im Krefelder Mutterhaus aufgenommen worden. Doch auch weil es eben nur noch fünf weitere Franziskaner-Schwester gibt, die alle älter als 81 sind, sah das Bistum dafür keine Möglichkeit.
Keine Langeweile mit Workshops, Tagungen und Bedürftigen
Nun lebt sie als Terziarin, wie die Mitglieder des Dritten Ordens genannt werden, mit ihnen trotzdem unter einem Dach. „Hätte man mir das ein halbes Jahr vorher gesagt, ich hätte es nicht glauben können“, sagt sie lachend, „aber ich hatte das Gefühl, dass Gott mich hier haben wollte.“ Sie ist glücklich. „Und langweilig wird es mir hier nie“, meint sie mit einem Schmunzeln. So kümmert sie sich zum Beispiel mit um die Gäste von beispielsweise Workshops oder Tagungen. Tagsüber kommen um die 30 Bedürftige, um die man sich im Kloster kümmert. Es gibt einen Mittagstisch, der für alle offen ist. Und selbstverständlich zahlreiche geistliche und liturgische, musikalische und Gesprächsangebote, Oasen-Tage und vieles mehr.
Mit ihrem Sakristei-Dienst, den sie für die Schwestern übernommen hat, kann sich Brigitte Glander etwas dazuverdienen. Wäre sie als Nonne aufgenommen worden, hätte das Kloster alle Kosten für sie übernommen. So hat sie freies Wohnen. „Aber ich muss nach wie vor selbstständig zum Beispiel Krankenkasse, Rentenversicherung und alles fürs Auto bezahlen. Aber ich bin ein franziskanischer Mensch. Ich brauche nicht viel zum Leben. Wenn es reicht, reicht es.“
Außerdem hat sie fünf ihrer Schüler aus der alten Heimat behalten. „Heute kann man ja viel per Mail oder Whatsapp machen“, sagt sie. Außerdem fährt sie „einmal im Monat runter“ nach Erpel, um die jungen Leute persönlich zu unterstützen. Etwas Vergleichbares möchte sie auch im Kloster möglich machen. Fürs kommende Jahr plant sie ein entsprechendes Angebot, das durch ihre Expertise mehr sein soll als eine Schülernachhilfe. Außerdem möchte sie unter anderem den Dritten Orden des Heiligen Franziskus in Krefeld wiederbeleben, der eng mit der Gründung des Klosters vor 100 Jahren verbunden ist. Helferinnen aus dem Kreis der Krefelder Drittordensgemeinde waren es, die zunächst karitative Dienste in der Stadt übernahmen und sich in der Haus- und Familienpflege engagierten, also zum Beispiel Müttern nach der Geburt daheim zur Seite standen.