Krefelder Facebook-Gruppe Bunte Steine als Überraschungsfund
Krefeld · Dass Menschen weniger aufs Handy starren und mit offenen Augen durch die Welt gehen, ist ein Ziel einer Krefelder Facebook-Gruppe. Kleine Kunstwerke werden als Geschenke ausgelegt.
Wenn Alexandra Menke auf ihre Walking-Runden durch den Ort geht, dann nimmt sie Ballast mit. Und zwar nicht etwa kleine Hanteln für den Trainingseffekt wie es andere Sportler tun. Die Verbergerin trägt ganz andere Gewichte mit sich herum: kleine Steine. Runde oder längliche, flache oder bauchige Kiesel. Und jeder einzelne ist ein Kunstwerk. Ein Kunstwerk, dass die 48-Jährige jemandem schenken möchte. Und zwar einem Wildfremden.
Denn Alexandra Menke ist Mitglied der Facebook-Gruppe „KReativ Steine“. Im Juli gegründet, machen mittlerweile mehr als 1300 Mitglieder und ihre Familien mit. Wie die Verbergerin bemalen sie Steine und drapieren sie am Wegesrand, an Bäumen, auf Mauern, Bänken oder wo auch immer in der Innenstadt, in Parks oder auch im Wald. Damit andere Menschen sie entdecken und sich darüber freuen. Die Finder können sie mitnehmen und behalten oder jemand anderem eine Freude machen, indem sie ihre Entdeckung woanders hinterlassen. So wandern manche Exemplare auch um die Welt.
„Es geht darum, sie auszulegen, nicht zu verstecken“, betont Heike Rütten (51), die sich als gute Seele mit ihrer Tochter Michelle (20) und dem ursprünglichen Gründer, ihrem Sohn Marco (25), um die Facebook-Gruppe kümmert. „Denn wir wollen ja, dass sie jemand sieht. Wir wollen Menschen aus ihrem Alltagstrott herausholen. Sie überraschen. Sie anstecken, damit sie mit wachen Augen durch die Natur gehen und nicht nur auf ihr Handy starren“, sagt die in einem Krefelder Seniorenheim arbeitende Betreuungsassistentin.
Die Idee stammt aus den USA. Mittlerweile ist sie in zahlreichen Städten in Deutschland angekommen – mit mehr als 500 Steingruppen bundesweit. Die größte - die „ElbStones“ in Norddeutschland - hat rund
23 500 Mitglieder. In allen Fällen organisieren sich die Fans bei Facebook.
Eine Bitte haben die Gestalter der Steine an die Finder. Ein entsprechender Hinweis ist deshalb auf den Rückseiten notiert: Dass ein Foto des gefundenen Steins in der Facebook-Gruppe gepostet wird. „Finden, freuen, posten“, fasst es Heike Rütten zusammen. So erfahren die Mitglieder, wo und von wem ihr gutes Stück aufgespürt worden ist und vielleicht auch, auf welche Wanderschaft er geht oder schon gegangen ist.
Ein Bekannter von Alexandra Menke hat schon eine Mini-Version der Rheinbrücke mit nach Schottland genommen. Sie selbst hat auch schon für einen Teneriffa-Urlaub extra Steine zum Beispiel mit dem Pico del Teide, dem höchsten Berg Spaniens, gestaltet. Auch Heike Rütten, die am liebsten auf ihrem Balkon vor allem mit Acrylfarben und entsprechenden Stiften graue Oberflächen in bunte Hingucker verwandelt, hat schon einige Exemplare mit in den Urlaub genommen. Die weiteste Reise eines Krefelder Steins ging nach Guatemala, weiß sie zu berichten.
Am meisten freut sich Alexandra Menke noch heute, dass eine Grundschullehrerin eines ihrer ersten kleinen Kunstwerke zum „Erzählstein“ gemacht hat. Wenn ihre Schüler reihum über dies oder das berichten sollen, dann wandert der Kiesel von Kind zu Kind.
„Es ist besonders schön, wenn man eine Rückmeldung bekommt“, sagt Menke, die als Buchhalterin in einem börsennotierten Konzern in Düsseldorf arbeitet. Sie gestaltet zwischen zwei und sieben Steine pro Woche. In ihrer Bastel- und Malecke hat sie „eine Lupe mit Licht und meine Ruhe“, sagt sie strahlend.
Die Vergrößerung braucht sie aber auch. Denn sie malt mit Aquarellfarben feinstes Fell an Vierbeiner, zarte Flügel an Vögel oder ihr Lieblings-Schmetterlingsmotiv. Filigrane Details an Krefelder Sehenswürdigkeiten wie der Rheinbrücke oder der Burg Linn machen ihr Spaß. „Ich male, seit ich einen Stift halten kann. Ich muss malen“, sagt sie. Ob auf großen Leinwänden oder im Kleinen zum Beispiel Portraits.
Das Stein-Fieber packte sie durch eine Freundin, die bereits in der Facebook-Gruppe war. Selbst hat sie auch schon einige Findlinge angesammelt. Im Gegensatz zu Heike Rütten: Um die 400 Stück hat sie selbst schon gestaltet. „Mir laufen manche Leute zum Teil schon hinterher, um zu sehen, ob ich etwas auslege. Aber ich habe selbst noch nie einen gefunden. Mir ist nur mal einer in den Briefkasten gesteckt worden.“