Studium in West Point Krefelder studiert an US-Top-Militär-Akademie

Krefeld/West Point · Die US-Militär-Akademie West Point im Bundesstaat New York ist die wohl bekannteste ihrer Art. Der Krefelder Jesse L. hat dort ein Studium aufgenommen. Er ist der erste deutsche Offiziersanwärter, der überhaupt dort zugelassen wurde.

 Jesse L. ist stolz, ein Kadett in West Point zu sein. Der Ehrenkodex der West-Point-Studenten lautet: „Ein Kadett lügt, betrügt und stiehlt nicht, außerdem toleriert er die nicht, die es tun.“ Der Leitspruch ist auch als Plakette auf dem Universitätsgebäude zu lesen.

Jesse L. ist stolz, ein Kadett in West Point zu sein. Der Ehrenkodex der West-Point-Studenten lautet: „Ein Kadett lügt, betrügt und stiehlt nicht, außerdem toleriert er die nicht, die es tun.“ Der Leitspruch ist auch als Plakette auf dem Universitätsgebäude zu lesen.

Foto: Bundeswehr/Carl Schulze

„Present Arms!“, hallt der Befehl über den Paradeplatz. Die rechte Hand von Jesse L. erfasst das Rohr des M14, hebt das Gewehr an und führt es präzise diagonal vor den Körper. Sein linker Arm schnellt hoch, die Hand erfasst die Waffe am hölzernen Handschutz. Präzise dreht der Fahnenjunker die Waffe nun so, dass ihr Magazin nach vorn zeigt, und sie sich vertikal mittig vor seinem Körper befindet.

Zusammen mit mehr als 1200 weiteren Kameraden ist Jesse L. auf der „Plain“ angetreten, dem riesigen Paradeplatz der United States Military Academy (USMA) West Point. Vor der Washington Hall ist die Brigade der Kadetten der weltberühmten Militärakademie aufmarschiert. Für den 20-Jährigen aus Krefeld ist heute einer der wichtigsten Tage in seinem bisherigen Leben: Während der Acceptance Day Parade für die Class of 2028 wird er offiziell in das aus 4400 Frauen und Männern bestehende Kadettenkorps der Fakultät am Hudson River aufgenommen.

Mit dem Studienbeginn in West Point geht für Jesse L. (Nachnamen werden bei Offiziersanwärtern nicht genannt) nicht nur ein Jugendtraum in Erfüllung, er schreibt auch Geschichte. Als erster deutscher Offizieranwärter wird er im Rahmen des Foreign Academy Exchange Program (FAEP) nicht nur ein Austauschsemester an der USMA absolvieren, sondern als Kadett sein gesamtes vierjähriges Studium.

„Als Kind habe ich mal etwas über West Point gelesen, seitdem träume ich davon, in den USA zu studieren“, erklärt der Fahnenjunker des deutschen Heeres, der im Juli 2023 seinen Dienst als Soldat bei der 5. Kompanie des Aufklärungsbataillons 13 in Bad Salzungen begonnen hat. „Ursprünglich dachte ich dabei an ein Austauschsemester. Als ich während einer Unterrichtsstunde in der Grundausbildung dann aber von der Möglichkeit erfahren habe, ein vierjähriges Bachelor-of-Science-Studium an der USMA West Point zu absolvieren, hat mich die Idee gefesselt und ich habe mich sofort beworben“, erinnert sich der Krefelder.

Parallel zu seiner Spezialgrundausbildung (SGA) bei der 2. Kompanie des Aufklärungsbataillons 7 in Ahlen und seinem Fahnenjunkerlehrgang bei der Heeresaufklärungsschule in Munster durchlief der junge Mann dann das lange und fordernde Auswahlverfahren für West Point. Alle Bewerber mussten verschiedene Sporttests meistern, medizinische Untersuchungen durchlaufen, Essays schreiben, ein Motivationsschreiben verfassen und den Scholastic Assessment Test (SAT) sehr gut abschließen.

Der SAT ist ein standardisierter Test, mit dem in den USA die Studierfähigkeit von Bachelorbewerbern geprüft wird. Auf nationaler Ebene wurde das Auswahlverfahren vom Referat Internationale Ausbildungsangelegenheiten des Kommandos Heer in Strausberg durchgeführt. Dies stellte dann die drei am besten geeigneten Bewerber der USMA vor. „Bei meinem Dienstantritt bei der Offiziersschule des Heeres in Dresden hat mir dann der Schulkommandeur eröffnet, dass die USMA West Point mich als zukünftigen Kadetten der Class of 2028 ausgewählt hat. Mein Gedanke damals: Es ist unglaublich, nun kann mein Kindheitstraum wahr werden.“ Der 20-Jährige berichtet weiter: „Die folgenden zwei Wochen waren dann die Hölle, eine Vielzahl von administrativen Dingen mussten in kürzester Zeit noch vor meiner Abreise in die USA erledigt werden. Für die tatkräftige Unterstützung bin ich besonders meinem Inspektionsfeldwebel der 11. Inspektion der OSH extrem dankbar. Ich glaube, ohne ihn hätte ich das alles nicht geschafft.“

„Dass Kadetten von Verbündeten und Partnern der USA in West Point studieren, hat eine lange Tradition“, erklärt Colonel Rance Lee auf dem Gelände der USMA. Der 50-jährige ehemalige West-Point-Absolvent der Class of 1997 ist Director of Admissions und somit zuständig für die Rekrutierung und Auswahl der zukünftigen West-Point-Kadetten. „Deshalb ist es für uns eine große Sache, dass nun erstmals auch ein deutscher Kadett sein komplettes Studium bei uns absolviert.“

Erster internationaler West-Point-Absolvent war 1889 Antonio Barrios aus Guatemala. Inklusive der Class of 2024 haben seither 580 International Graduates ihren Abschluss in West Point gemacht. Heute verfügt die USMA über insgesamt 60 Studienplatze für internationale Kadettinnen und Kadetten, die im Rahmen des Foreign Academy Exchange Program (FAEP) dort studieren können. „Mit der Class of 2028 nehmen wir 16 neue auf“, so Lee.

Neben Deutschland kommen die 15 neuen Kadetten aus Kamerun, Ghana, Indonesien, Jordanien, Kenia, der Mongolei, Pakistan, Polen, den Philippinen, dem Senegal, Singapur, Thailand, Südkorea und Tunesien. „Vom Pentagon bekommen wir jährlich zwischen 80 und 120 internationale Bewerber vorgeschlagen, aus denen wir dann die vielversprechendsten auswählen“, erläutert Lee. Nach den Vorteilen für West Point gefragt, erklärt er: „Internationale Studenten in West Point zu haben, ist für uns eine Win-win-Situation. Unsere amerikanischen Studenten erhalten so schon früh Kontakt zu Menschen aus anderen Kulturkreisen. Später, bei ihrem Dienst als Offizier der US-Armee, helfen ihnen die so gemachten Erfahrungen dann bei der Zusammenarbeit mit den Streitkräften verbündeter Nationen zum Beispiel in der NATO. Im Gegenzug erhalten die internationalen Kadetten ein hochwertiges Studium und eine erstklassige militärische Ausbildung, inklusive eines tiefen Einblicks in die amerikanische Kultur und Denkweise.“

Bereits am 1. Juli 2024 begann mit dem Reception Day die Ausbildung für den Krefelder Jessie L. in West Point. Die nächsten sechs Wochen erfolgte die militärische Grundausbildung in den sogenannten Beast Barracks. Auf dem Dienstplan standen dabei unter anderem Disziplin, die Anzugsordnung, militärische Umgangsformen und Formaldienst, aber auch Infanteriegefechtsausbildung, Überleben im Felde und Schießen. Den Abschluss bildete der March Back, ein Marsch über zwölf Meilen zurück nach West Point. „Während der Beast Barracks haben wir auch das Motto für unseren Jahrgang ausgesucht. Es lautet: ,No Calling To Great‘, was übersetzt so viel bedeutet wie ,keine Herausforderung zu groß‘“, berichtet der Fahnenjunker.

Der West-Point-Traum des 20-Jährigen wird insgesamt 47 Monate dauern. In dieser Zeit wird er am Ufer des Hudson Rivers nicht nur eine ausgezeichnete akademische Ausbildung erhalten, sondern auch zu einem hervorragenden militärischen Führer ausgebildet. Der Tagesablauf der Kadetten umfasst in der Regel morgens nach dem gemeinsamen Frühstück und nachmittags nach dem gemeinsamen Mittagessen aller 4400 Kadetten einen mehrstündigen Vorlesungsblock und vor dem Abendessen zwei Stunden Zeit für sportliche Aktivitäten. Dabei können die Kadetten zwischen einer Vielzahl von Sportarten wählen. Unter anderem werden Boxen, Judo, Handball, Hockey, American Football, Schwimmen, Fechten und Golf angeboten.

Als „Plebe“ oder „Fourth Class Cadet“, wie die Kadetten im ersten Studienjahr genannt werden, muss Jessie L. derzeit noch lernen, Befehle zu empfangen und genau auszuführen sowie die damit verbundenen Herausforderungen zu meisten. Im zweiten Studienjahr wird er dann als „Yearling“ oder „Third Class Cadet“ selbst Verantwortung übernehmen und als Truppführer die neuen „Plebes“ ausbilden. Im dritten und vierten Studienjahr, als „Cow,“ beziehungsweise „Firstie“, wird seine Verantwortung weiter steigen. Abhängig von seinem Leistungsniveau kann er dann im Kadettenkorps als Gruppen- oder Zugführer, Kompaniechef, Bataillonskommandeur oder vielleicht sogar Kadettenbrigadekommandeur eingesetzt werden. Red