NS-Historie Krefelderin rettet Jüdin vor der Deportation

In der Krefelder NS-Dokumentationsstelle gibt es ein neues Kunstwerk, das an Anna Tervoort erinnert.

Foto: DJ

Krefeld. Drei Schüler des Fichte-Gymnasiums halten stilisierte Baumblätter in den Händen. Sie haben sich mit der Geschichte der Anna Tervoort befasst und wollen ihre Blätter nun auf dem neuen Kunstwerk der NS-Dokumentationsstelle Krefeld, einem stilisierten Baum, befestigen. Weil sie das, was die Krefelderin im Zweiten Weltkrieg geleistet hat, gut finden.

Die Geschichte, die hinter dem Leben der Hülserin Anna Tervoort lag, kam durch einen Zufall ans Tageslicht, wie Ingrid Schupetta, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle Krefeld, berichtet: „Für das Projekt ,ungesungene Helden’ haben wir nach Leuten gesucht, die den Juden zur Zeit des Zweiten Weltkrieges geholfen haben. Bei der Suche sind wir auf Anna Tervoort aufmerksam gemacht worden.“ Im Zuge des Projektes, das Burkhard Ostrowski, Mitarbeiter der NS-Dokumentationsstelle, gemeinsam mit einem Kollegen leitete, forderten die beiden Krefelder auf, sich mit ihren Geschichten zu melden. In der Tat kam ein Telefonanruf von einer Krefelderin namens Ruth Jänkes: „Frau Jänkes berichtete uns, dass ihre Mutter, Johanna Werner, von einer Anna Tervoort am Ende des Zweiten Weltkrieges versteckt wurde“, erzählt Ostrowski.

Dieser Geschichte ging Ostrowski nach, und in der Tat stellte sich heraus, dass Werner seit 1936 in Krefeld lebte: „Da Tervoort mit einem sogenannten Arier verheiratet war und somit eine Misch-Ehe führte, wurde sie am Anfang noch verschont. Ende 1944 drohte allerdings auch ihr die Deportation“, so Ostrowski. Anfangs wurde die Jüdin in einem Verschlag an der Ritterstraße versteckt, aber schon bald zeigte sich dieses Versteck als zu gefährlich, sodass nach einem sichereren Versteck Ausschau gehalten wurde: „Wie es der Zufall will, sprach der Ehemann von Johanna Werner seinen Eiermann, einen gewissen Hermann Tervoort, auf das Problem an. Dieser nahm Johanna Werner noch am gleichen Abend mit“, berichtet der Mitarbeiter der „ungesungenen Helden“.

Nachdem es allerdings Meinungsverschiedenheiten mit seiner Frau gab, brachte der Bauer die Geflohene bei seiner Schwägerin unter: Anna Tervoort. In diesem Versteck lebte Johanna Werner eine längere Zeit, bis ein Fremder auf die Versteckte aufmerksam wurde und alles aufzufliegen drohte. Daraufhin wurde sie erst bei einem Zahnarzt am Ostwall untergebracht und anschließend im Bahnhofsbunker, wo Tervoort, gemeinsam mit ihrer Familie, 1945 die Befreiung durch die Amerikaner erlebte. Die „Gerechte unter den Völkern“, wie Tervoort sich seit 1997 nennen darf, hat ihren Ehrungsprozess noch mitbekommen, wie Ostrowski berichtet: „Kurz danach verstarb sie allerdings.“

Insgesamt gibt es 330 Menschen, die diesen Titel tragen dürfen. Eine von ihnen ist Anna Tervoort. Eine Frau, deren Geschichte dazu führte, dass die Künstlerin Ingrid Krusat-Dahmen einen stilisierten Baum entwarf, an dem Schüler ihre Anerkennung für die Krefelderin ausdrücken können. Der stilisierte Baum ist das letzte Kunstwerk der Ausstellung. Bewusst, wie Schupetta betont: „Die Schüler sollen eine Handlungsalternative aufgezeigt bekommen und sehen, dass es auch außerhalb von ,wir konnten nicht anders’ Möglichkeiten gibt.“

Bei jeder Person in der Ausstellung sollen die Schüler die verschiedenen Personen als Opfer oder Täter einstufen. Für die Schüler des Fichte-Gymnasiums ist klar, Anna Tervoort war weder Täter noch Opfer. Sie war eine Heldin.

Den Titel „Gerechte unter den Völkern“, den die Gedenkstätte Yad Vashem vergibt, bekamen bisher 330 Personen. Wer diese Auszeichnung bekommt, wird vorher eingehend geprüft. Anna Tervoort wurde am 15. Mai 1997 als „Gerechte unter den Völkern“ anerkannt.