Projekt im Rahmen des Stadtjubiläums „Es gibt keine Schule ohne Rassismus“

Krefeld · Regisseurin und Jugendamtsmitarbeiterin Souad Lamroubal lässt in einem Film Schüler zu Wort kommen, die ausgegrenzt werden.

Sie arbeiten am Filmprojekt (v.l.): Peter-Michael Friedrichs, Amira Lamroubal, Regisseurin Souad Lamroubal und Professor Andreas Zick.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Im vergangenen Herbst rief Souad Lamroubal ihre interessierte Leserschaft zu einem Zwiegespräch auf: „Yallah Deutschland, wir müssen reden!“ Tiefe Einblicke gab es in dem Buch in ihr persönliches Leben als Deutsch-Marokkanerin nebst der Behandlung der großen Frage: Wer sind wir Deutsche und wann sind wir es? Als Gastarbeiterkind kam sie 1982 in Dormagen zur Welt und ist seit 2006 Kommunalbeamtin. Mittlerweile ist sie Krefelderin und arbeitet im Jugendamt. Rassismuskritische Migrationsarbeit ist ihr Schwerpunkt, den sie aktuell um ein weiteres Projekt erweitert hat. Das Thema: Rassismus an Schulen. Ein heißes Eisen, das nur wenige wirklich anpacken – Lamroubal aber tut es.

In einem Film will sie Betroffene zu Wort kommen lassen, die unter der Ausgrenzung leiden. „Was sind die Methoden und was kann man dagegen tun?“, fragt sie sich. Wissenschaftliche Unterstützung hat sie sich von Professor Andreas Zick geholt, der an der Universität Bielefeld im Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung lehrt. Auch die Stadt kooperiert. Unterstützung kommt zudem von der Menschenrechtsorganisation Amnesty in Krefeld.

Vor zweieinhalb Monaten begann sie mit ihrem Projekt und den ersten Ideen der Umsetzung. Gedreht hat sie schon an drei Krefelder Schulen: am Ricarda-Huch-Gymnasium, am Moltke-Gymnasium und an der Realschule Horkesgath. Die Kontakte waren über Peter-Michael Friedrichs von Amnesty zustande gekommen, den sie im Arbeitskreis „Für Demokratie, gegen Extremismus“ kennengelernt hatte. Er ist selbst Schulpate für das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ am Gymnasium am Moltkeplatz.

Auch auf weitere Bildungseinrichtungen, die das entsprechende Siegel tragen, will Lamroubal den Scheinwerfer richten. Sie ist sicher: „Es gibt keine Schule ohne Rassismus.“ Angefangen in der Schülerschaft untereinander, aber sogar bis in die Lehrerzimmer hinein. Die Regisseurin geht auf die Suche, sammelt Erfahrungsberichte, horcht nach. „Wir wollen Menschen eine Stimme geben, die vielleicht auch Angst haben, sich kritisch zu äußern. Eltern wollen ja schließlich keinen Nachteil für ihre Kinder bewirken. Rassismus bedeutet für eine Schule ja einen Imageschaden. Das starke Zeichen aber kann auch lauten: Wir als Schule stellen uns.“ Der Film soll auch Öffentlichkeit herstellen, wo ansonsten vielleicht der Mantel des Schweigens zum Einsatz kommt.

„Rassismus ist eine Form der Gewalt“, sagt Zick, den sie für ihren Film auch interviewt hat. Schulen würden einen Prozess durchlaufen, ehe sie das Siegel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ verliehen bekämen. Doch wie steht es auf lange Sicht um diese Arbeit intern? Seit 1995 gibt es bundesweit diese Auszeichnungen. Über 4000 Schulen haben bereits an diesem Prozess teilgenommen. „Wir müssen uns immer wieder vergewissern, was passiert? Die Schullandschaft verändert sich, die Schülerschaft auch.“ Zick begrüßt die Arbeit Lamroubals. „Wenn Souad da reingeht, wird auch die Schule sensibler werden, dann wird man auch Rassismus sehen.“

Er räumt ein, dass Schulen in Deutschland oft nicht die nötige Zeit und den Raum hätten, sich diesem Thema neben ihrem täglichen Auftrag umfangreich zu widmen. Zudem vermisst der Bielefelder Professor auch in der Forschung eine größere Aufmerksamkeit rund um dieses Phänomen an Schulen oder gar eine „antirassistische Landespolitik.“ Daher lobt er das Vorhaben der Krefelder Fachexpertin für Migration, Integration und Bildung, die sich mit ihrer Erfahrung in den Kommunen den Schwerpunkt der rassismuskritischen Migrationsarbeit gesetzt hat. „Wir brauchen Projekte, die das verstärken“, sagt Zick. Er bringt es auf die Formel: „Wo weniger Rassismus ist, entwickelt sich die Gesellschaft weiter, wird sie leistungsfähiger.“ Doch in der Realität sehe man ein stabiles Maß an Rassismus.

Der Rechtspopulismus trage diese Ansichten bis in die Mitte der Gesellschaften. Seit dem Tod des schwarzen Amerikaners George Floyd, der durch Polizeigewalt ums Leben kam, sei auch in Deutschland die Debatte verstärkt worden, inwieweit es institutionellen und strukturellen Rassismus gebe. Damit müssten sich auch die Schulen beschäftigen, fordert Andreas Zick. „Es gibt an sie hohe Erwartungen als Sozialisationsort“, so der Professor: „Es ist ein komplexer Weg, um Schulen resilient gegen Rassismus werden zu lassen.“

Auch Peter-Michael Friedrichs von der Amnesty-Gruppe dankt Souad Lamroubal: „Es ist ein tolles Projekt. Eine Möglichkeit, um diesen Input in die Schulen zu geben.“