Kultur Theater spielt im Bunker
Krefeld · Krefelder Künstler ziehen für Aufführungen von Bertolt Brechts „Flüchtlingsgesprächen“ in die Schutzanlage. Kresch-Regisseur Franz Mestre verspricht „kein leicht konsumierbares Stück, sondern eine Erfahrung“.
Die Züge am Bahnhof, die Passanten auf dem Ostwall, das Kino – das Leben der Stadt, nur wenige Schritte entfernt, ist so weit weg.
Der alte Bunker an der Hansastraße 63 ist dunkel, überall grauer Beton und Staub. Wer an diesem Frühlingsmontag in die kalten Gemäuer kommt, den fröstelt es. Mitten in der Stadt steht dieses Relikt der vergangenen Zeit.
Für einige Aufführungen wird das Kresch-Theater ab Mai in die fremde Welt umziehen. Regisseur Franz Mestre wird im Bunker Bertolt Brechts „Flüchtlingsgespräche“ inszenieren. Ein Stück mit aktuellem Bezug, handelt es doch vom Alltag zweier Vertriebener. Sie haben ihre Heimat Deutschland verloren und versuchen, sich in der Zeit des Wartens das Gefühl eines neuen Bezugspunktes zu schaffen.
Harter Stoff in rauer Umgebung. „Das wird kein leicht konsumierbares Stück, sondern eine Erfahrung“, sagt Mestre.
Bei einem Rundgang kam er vor einiger Zeit erstmals in den Bunker. Im Zweiten Weltkrieg flohen mehrere tausend Menschen vor Bombenangriffen unter die tiefen Decken. Nun gibt es dort Kultur. Mestre erfuhr, dass das Stadtmarketing dort eine Veranstaltung plant und fragte, ob er mit seinen Schauspielern ebenfalls rein darf.
Theater im Bunker bedeutet
viel Arbeit für Techniker
Für die jeweils 60 Zuschauer wird der Besuch ein Weg immer tiefer hinein in das Drama von Stück und Bunker sein. Zunächst kommen die Gäste in den Eingangsbereich, der dank eines Glasvorbaus noch recht hell ist. Dort wird eine Ausstellung über Flüchtlinge in Krefeld zu sehen sein. NS-Dokumentationsstelle und Stadtarchiv haben originale Briefe, Bilder und weitere Dokumente gesammelt. Jeder solle sich an Geschichten in der eigenen Familie erinnern, sagt Mestre. Besonders bei jungen Leuten sollen Kulisse und Stück Eindruck hinterlassen: „Ich bin froh, wenn Jugendliche sich danach auf die Suche nach ihrer eigenen Geschichte machen.“
Mestre will die einmalige Chance der Bühne namens Bunker nutzen, den Eindruck der Grausamkeit noch zu verstärken. „Zunächst werden die Zuschauer und der Spielraum durch ein Gitter getrennt“, sagt Mestre. „Flüchtlinge sind gefangen in ihrer Zwischenwelt – genau wie die Menschen in einem Bunker.“
Nach dem ersten Teil der Aufführungen ziehen Schauspieler und Zuschauer tiefer in den Bunker. Es geht dorthin, wo sich das Tageslicht nur noch erahnen lässt. In einem langen Gang, hin zur unteren Ebene, sehen die Zuschauer das Finale.
Theater im Bunker ist ein ziemlich aufwändiges Unterfangen. Die Tontechniker müssen trotz des Halls für einen passablen Klang sorgen, zudem sollen Projektionen an Wänden und Säulen erscheinen.
Bühnenbildner Frank Andermahr schockte zunächst die Größe des Bunkers: „Als erstes wusste ich nicht, was ich hier machen soll. Das erschlägt einen ja.“ Nun möchte er den Raum mit Betten füllen.
Die muss er allerdings noch auftreiben. Andermahr hofft auf Betten aus den Flüchtlingsunterkünften der vergangenen Jahre, die nun nicht mehr benötigt werden. Gar nicht so einfach. Er stehe in Kontakt mit der Stadt, aber bislang komme er nicht an die Betten.
Andermahr und Mestre ahnen: In den nächsten Wochen müssen sie viel improvisieren. Am Montag geht es für die Schauspieler erstmals aus dem gewohnten Probenraum in ihrem Theater hinunter in Krefelds Vergangenheit.