Als Amerika umgekehrt wurde
Ensemble bringt Hörspiel über spanische Eroberung auf die Bühne am Marienplatz.
Krefeld. „Wir sind das Werkzeug Gottes“, sagt einer der Spanier in Mauricio Kagels Hörspiel „Die Umkehrung Amerikas“. Wer derlei sagt, wird nicht von Zweifeln geplagt.
Das Hörspiel von 1976 handelt von der Conquista, der Eroberung Mittel- und Südamerikas durch die Spanier. Allein im Gebiet des heutigen Mexiko sollen ihr zu Beginn des 16. Jahrhunderts 19 Millionen Ureinwohner zum Opfer gefallen sein. Das Theater am Marienplatz (TAM) zeigt Kagels Hörspiel als szenische Erstaufführung.
Die Bühne ist dreigeteilt. Zwei Podeste rahmen eine Spielfläche ein. Auf einem Podest stehen drei Spanier mit weißen Hemden, schwarzen Hosen und verspiegelten Sonnenbrillen. Auf dem zweiten Podest thront vor einem Kreuz eine spanische Frau im schwarzen Kleid. Auch sie trägt eine Sonnenbrille. Zu ihren Füßen sitzen Pit Therre und Björn Kiehne, die mit einfachen Instrumenten sparsame musikalische Begleitung beisteuern. Auf der Fläche zwischen den Podesten kauern die fünf Darsteller der Indios — in Sackleinen, geknebelt mit einem schwarzen Stoffband. Positionierung und Kostümierung markieren die Differenz zwischen Eroberern und Unterworfenen deutlich.
Der Text hebt an mit von den Spaniern heruntergerasselten Verben: „ausrotten, niedermachen, zerstören, vergiften, vergewaltigen, verhöhnen“ und so fort. Sie spulen die Tätigkeitswörter der Herrenmenschen ab.
Eine minimale Handlung ergibt sich, als die Indios die Buchstaben des Alphabets nachsprechen sollen. Im Zentrum des Stücks kommunizieren sie aber über einen Rekorder, aus dem Aufnahmen erklingen. Die Texte wurden rückwärts eingelesen. Während der Aufführung wird das rückwärts Gelesene über die Rekorder wiederum rückwärts abgespielt. Letztlich sprechen die Indios also vorwärts über ihre leidvollen Erfahrungen mit den Eroberern. Die Sprache klingt dabei aber ungelenk.
Abseits der physischen Gräuel verdeutlicht diese Umkehrung die schreckliche Konsequenz der Eroberung: Die Indios wurden ihrer Sprache und ihrer Kultur beraubt. Damit rückte Kagel, und auch die TAM-Inszenierung, die kulturelle Vergewaltigung der Indios in den Mittelpunkt.
Pit Therre und seinem Ensemble gelingt mit Kagels Stück eine bedrückende Erinnerung an ein lange zurückliegendes Verbrechen — und seine vielen Wiederholungen seitdem.