Ausstellung Kunst mit Barcodes neu interpretiert

Martin R. Becker präsentiert bis zum 24. September in der Galerie Meta Weber an der Blumentalstraße seine Ausstellung „Out of Book“.

Die digitale Welt benutzt Martin R. Becker für eine neue Form von Visualisierung.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Bei jedem Einkauf im Supermarkt begegnen sie einem. Die oft winzigen Strichcodes oder Barcodes, mit denen jede Ware gekennzeichnet ist. In der Galerie Meta Weber sind diese Codes jetzt auf das Format von 50 mal 100 Zentimeter gewachsen und mit unterschiedlichen Bildelementen kombiniert. „BarCodeArt“ nennt der Künstler Martin R. Becker seine Werke, mit denen er vergangene Konzeptkunst sehr originell neu interpretiert. Seit 1974 lebt der gebürtige Saarländer in Krefeld, und das Kaiser-Wilhelm-Museum gehört bis heute zu den von ihm regelmäßig aufgesuchten Orten. Dort hat er auch die Streifenbilder von Daniel Buren kennengelernt. Doch anders als bei dem französischen Konzeptkünstler, dessen Streifen immer exakt dieselbe Breite aufweisen, bieten die Barcodes eine abwechslungsreiche Folge an - je nachdem was für ein Begriff sich hinter dem Code verbirgt. Denn auch hinter jedem dieser dort gezeigten Bilder steckt ein Name oder Begriff, den der Künstler codiert hat.

Hinter jedem Bild
steckt ein Begriff

Nachdem Becker viele Jahre abstrakte Bilder in Schwarzweiß gemalt hat, ist er inzwischen viel in der digitalen Welt unterwegs und benutzt diese Möglichkeiten für eine neue Form von Visualisierung. Er bewegt sich damit, wie der Ausstellungstitel verrät, „Out of Book“. Dieser Begriff aus dem Schach beschreibt das Spiel abseits von Lehrbüchern. Für Becker sind die Codes eine neue Form der Schwarzweißmalerei. Hinzu kommt ein spielerisches Element. Denn hinter jedem seiner Bilder steckt ein Begriff. Mit entsprechender App auf dem Smartphone kann man ihn als Betrachter entschlüsseln.

Man kann sich aber auch anders auf das Bild einlassen, indem man genauer auf die hinzugefügten Bildelemente achtet. Es sind ebenfalls schmale Streifen mit Bildfragmenten, die auf das Gesamtbild hinweisen. Meist führt so ein Fragment erst zusammen mit dem Bildtitel auf die richtige Spur. Ein Bilderpaar zeigt sowohl einen intensiv blauen als auch einen goldenen Streifen. Beide leuchten zwischen der schwarzweißen Abfolge heraus. „Yves #1“ und „Yves #2“ heißt diese Hommage an Yves Klein. Während hier allein die Farben genügen, um die Assoziation an einen bestimmten Künstler hervorzurufen, hat Becker an anderer Stelle Bildfragmente eingearbeitet.

Ein Werk von dem von ihm ebenfalls sehr geschätzten Cy Twombly zeigt, wie diese minimalen Unterbrechungen den gesamten Charakter des Bildes verändern. Der kühle Minimalismus des Streifenbildes wird durchbrochen, bekommt Leben eingehaucht. Eine persönliche Note bekommt diese Arbeit noch zusätzlich, dadurch, dass Becker hier nicht den Namen, sondern das Todesdatum des Künstlers codiert hat.

Statement zur Gefährdung
der Erde

Die mehrteilige Arbeit „Tractamus“ zeigt eine weitere Variante. Fünf hochformatige Bilder ergeben zusammen zwei Landschaftsausschnitte. In der oberen Hälfte sind die Berge von Lanzarote zu sehen, in der unteren das Dickicht eines Waldes auf Hawaii. Dazwischen befindet sich eine Zone mit dem barcodierten Begriff, wobei die Linien auch noch die Landschaften überlagern. Die auf Fotografien basierenden Naturbilder ergeben zusammen mit dem „Du musst dein Leben ändern“ ein klares Statement ab zur Gefährdung der Erde durch den Menschen. Die Linien zeigen aber auch die schöne Welt wie hinter Gittern, als bloße Attraktion, wie man sie im Zoo erleben kann. Eine Anspielung an Rilkes berühmtes Gedicht vom gefangenen Panther schwingt dort auch mit.

Eine faszinierende Verbindung von Natur und digitaler Welt ist auch in der ebenfalls mehrteiligen Arbeit „Wald#1“ zu sehen. Hier hat Becker zehn Bilder (je 120 mal 30 Zentimeter) zu einem Zyklus zusammengefügt, indem auch die Lyrik eine besondere Rolle spielt. Anstelle von Barcodes hat der Künstler hier QR-Codes (aus dem Englischen für „quick response“, schnelle Antwort, abgeleitet) verwendet. Mit ihrer charakteristischen quadratischen Form nehmen diese Codes jeweils das untere Viertel des Bildes ein. Darüber ist der schöne Wald zu sehen, der in der bearbeiteten Form des Digitaldrucks fast an impressionistische Malerei denken lässt.

Auch diese QR-Codes kann man entschlüsseln und wird dann die Verse des Goethe-Gedichts „Im Walde“ lesen können. Wieder entsteht ein lebendiges Spannungsfeld zwischen der nüchtern-mathematischen Welt der Codes und dem sinnlichen Erlebnis von Kunst, die dort noch mit Lyrik angereichert ist.

Zu den QR-Codes als Bilder, hinter denen sich Texte verbergen, finden sich noch weitere Arbeiten. So ist in einer zwölfteiligen Serie eine ganze Ballade versteckt, und aus einem einzigen auf 100 mal 100 Zentimeter vergrößerten Code besteht das Schlüsselbild der Ausstellung. Es enthält den Anfang von Artikel 5 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern.“ Von seiner Bedeutung her das wichtigste und schönste Bild des Künstlers, der auf intelligente Weise mit digitalen Mitteln eine Kunst schafft, die beim Betrachter das auslöst, was jede gute Kunst tun sollte: neugierig machen und Seherlebnisse schaffen.