Autor wäscht Gurlitts Namen rein

Raubkunst und Nazi-Schätze? Maurice Philip Remy hat sich in seinem Buch mit der Geschichte um Cornelius Gurlitt beschäftigt — und sein Werk in der Mediothek vorgestellt. Fazit: sehr empfehlenswert.

Foto: Dirk Jochmann

Ein spannender Abend: In dem komplett ausverkauften hinteren Leseraum der Mediothek hat der Münchener Journalist und Publizist Maurice Philip Remy über sein Buch „Der Fall Gurlitt“ gesprochen. Der Untertitel: „Die wahre Geschichte über Deutschlands größten Kunstskandal.“ Auf fast 700 Seiten beschäftigt er sich mit einer Familiengeschichte, die seiner Meinung nach durch die Staatsgewalt und Öffentlichkeit zu einem Skandal ausgeweitet wurde — der jeder rechtlichen Grundlage entbehre.

Um aber diesen ganzen Komplex verständlich zu machen, berichtet Remy zunächst davon, wie er auf das Thema gekommen ist: „Ich möchte darlegen, was ,Raubkunst’ ist und was Cornelius Gurlitt widerfahren ist“, sagt er. Maurice Philip Remy kennt sich mit der deutschen Geschichte des Nationalsozialismus aus. Als dann am 3. November 2013 die Zeitschrift Focus über das Internet die Kunde von einem „Nazi-Schatz“ mit 1600 Kunstwerken und einem Wert von einer Milliarde Euro verbreitete, war er sich gleich sicher: „Das konnte nicht stimmen.“

Damals hatten bayerische Behörden Cornelius Gurlitt während einer Zugfahrt von Zürich nach München verdächtigt, sogenannte „Raubkunst“ zu verkaufen, ohne dafür die entsprechenden Steuern zu bezahlen. „Das war ein konstruierter Tatvorwurf und eine rechtswidrige Untersuchung.“ So versuchte Remy, mit Cornelius Gurlitt in Verbindung zu treten, was ihm nach geraumer Zeit auch gelang. Auch zu Gurlitts rechtlichem Betreuer konnte er ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Die beiden Männer gestatten ihm, die teilweise feuchten, verschmutzten und sogar angeknabberten Unterlagen anzusehen und zu kopieren.

Mit einem Team von zwölf Leuten hat Remy dann alle diese Papiere gesichtet. So hat er anhand dieser Kopien eine komplette Übersicht über die Kunst in Gurlitts Besitz erstellt. Das Ergebnis: Von den Bildern, die derzeit in einer Ausstellung in Bonn zu sehen sind, ist nur eines „Raubkunst“, fünf seien verdächtig. „Alle Zahlen sind frei erfunden“, sagt Remy. „Sie dienen der Irreführung der Öffentlichkeit.“ Sein Verdacht ist, „dass der Gurlitt-Fall dazu diente, viel zu verschleiern“.

Remy vertritt die Überzeugung: „Die Sache muss aufgeklärt werden.“ Sein Buch schließt mit dem Satz: „Altes Unrecht lässt sich nicht durch neues heilen.“ Remy hat seinen Ausführungen 2000 Fußnoten und ein Register angefügt. Er hat gründlich recherchiert und Details zu rechtlichen Fragen hinzugefügt. Das perfide System der Nazis schildert er in Einzelheiten.

Das Publikum stellte viele Fragen und trug auch eigene Erfahrungen mit dem Kunstbetrieb bei. Elke Meyer-Michael, Vorsitzende des Kunstvereins, hatte in ihrer kurzen Einführung gesagt: „Ich habe das Buch wie einen Krimi mitten in der Nacht gelesen.“ Sie stellte auch noch einen Bezug her: 1947 habe Cornelius Gurlitt sich um die Position der Leitung des Kaiser-Wilhelm-Museums beworben. Ihm habe dann der „Entnazifizierungsnachweis“ gefehlt. Als er ihn vorlegte, war die Stelle besetzt. Wolfgang Behl vom anderen Buchladen wies darauf hin, dass das Buch mit der ausführlichen Familiengeschichte der Gurlitts auch weit zurückgeht und mehr als hundert Jahre deutscher Vergangenheit aufblättert. Leseempfehlung!