Bert Teunissen: Bilder aus einer vergangenen Welt
Der niederländische Fotograf hat in zehn Jahren Fotos von "in Jahrhunderten gewachsenen Menschenorten" gemacht. Jetzt sind sie im Haus Esters zu sehen.
Krefeld. Bald wird es diese Welt nicht mehr geben, in der es noch kein elektrisches Licht gab, weil genügend Tag durch die Fenster schien. Wo der Schinken im Rauch über dem Kopf an der Decke baumelt, die Zeit schläft und und uralte Tapeten blättern, wo das Plumpsklo in Sichtweite des Küchentischs steht und gegen die Winterkälte auf dem Fußboden ein Holzfeuer glimmt. Der niederländische Fotograf Bert Teunissen hat in zehn Jahren neun europäische Länder bereist und Fotos von diesen über die in Jahrhunderten gewachsenen Menschenorte gemacht. Sie werden verschwinden, weil sich die Normen unseres Lebens verändert haben, weil diese neuen Normen mit Gesetzeskraft durchgesetzt werden. Teunissen versteht sich als Dokumentarist: "Ich baue an einem Archiv. In der nächsten Woche reise ich nach Bulgarien." Im Museum Haus Esters wird an diesem Sonntag um 11.30 Uhr eine Ausstellung mit etwa 55 dieser teils großformatigen Fotografien unter dem Titel "Domestic Landscapes" eröffnet. Teunissen reist mit einer großen Plattenkamera und arbeitet ohne künstliches Licht - wie seine einstigen berühmten Landsleute: Pieter de Hooch oder Vermeer, diese nie wieder erreichten Großmeister im Umgang mit dem Tageslicht. Belichtungsdauer oft 20 Sekunden. Auslöser seines Engagements war, als er im Alter von neun Jahren mit den Eltern aus dem alten Haus ausziehen musste. Damals ging die Vertrautheit verloren. Viele Jahre später, bei einem Urlaub in Frankreich, tauchten diese Kindheitsbilder urplötzlich wieder in einem alten Café auf. Seitdem befindet er sich auf der Suche. Die Bilder haben keine Titel. Kurz und knapp sind Ort, Tag und Uhrzeit vermerkt. Manchmal gelingt es dem Betrachter, das Land zu erraten. den ländlichen Norden Portugals, unbekannte Dörfer fernab in Spanien oder Frankreich, Italien auch, und einmal sogar findet man eine Fotografie, die im Bayerischen Wald aufgenommen wurde. Alle dies Bilder, in denen das Auge spazierengeht: die Interieurs alter Friseurläden, die knorrigen Gesichter der zumeist alten Leute am Mittagstisch, die verarbeiteten Hände, die Kalender als einziges Schmuckstück an der Wand. Alles dies Bilder mit einem Trauerrand. 30 Euro kostet der Katalog (ausführlicher Bericht folgt).