Museum Bild auf Boden oder die Geburt einer Ausstellung

Krefeld · Die neue Schau „Folklore und Avantgarde“ im Kaiser-Wilhelm-Museum öffnet am Wochenende. Doch bis dahin ist viel zu tun.

Katia Baudin (v.l.), Nina Markova (Tretjakow-Galerie), Hannes Döring und Elina Knorpp drehten sich beim Aufbau kurz zur Kamera.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

In der zweiten Ausstellungsetage des Kaiser-Wilhelm-Museums liegen Bilder auf den Boden – sie sind indes auf einem weich-grauen Malervlies drapiert. Dennoch, es mag einem schon angst und bange werden, ein falscher Schritt, eine unbedachte Bewegung und schon treffen sich Fuß und Bild und der Schreck und Folgen wären groß. An anderer Stelle wiederum stehen Bilder an die Wand gelehnt, ganz ähnlich, wie man es zu Hause zu handhaben pflegt, wenn man sich ein neues Bild gekauft hat, was darauf wartet, über der Couch aufgehängt zu werden. Bilder aufhängen, sieht halt immer ähnlich aus, ob dies nun in hochprofessioneller Art in einem Museum passiert oder im trauten Heim. Aber keine Sorge, die eifrigen Menschen, die um die Bilder herumstehen, sie begutachten, mit gezieltem Blick beäugen, schließlich geschulte Handwerker anweisen, wo was hängen soll, wissen, was sie tun.

Wir befinden uns mitten im Geburtsprozess der neuen Ausstellung im KWM. „Folklore und Avantgarde. Die Rezeption volkstümlicher Traditionen im Zeitalter der Moderne“ wird sie heißen und am 10. November eröffnet werden; doch dann wird von den vielen Arbeiten, den langwierigen Planungen, Vorbereitungen und dem sorgfältigen Anliefern, Begutachten und Platzieren der Exponate nur noch eine fein polierte Ausstellungs-Ästhetik zeugen. Doch bis man als Besucher durch die Räume des Museums schlendern kann, um die Einflüsse von Folklore auf avantgardistische Kunst anhand von ausgesuchten Exponaten auf sich wirken zu lassen, zu erspüren, wie sich Künstler von Volkskunst beeinflussen ließen, wie sie mit Motiven und Assoziationen spielten, Neues zu entdecken oder auch Bekanntes im neuen Licht zu sehen, muss viel getan werden.

Ob es das Erträumen eines Konzeptes, das Schritt um Schritt Gestalt gewinnt ist, in diesem Fall durch die Kuratoren Katia Baudin, Direktorin der Kunstmuseen Krefeld und die Kölner Kunsthistorikerin Elina Knorpp oder auch die Ausstellungsarchitektur, in diesem Fall Stellwände, die entfernt an Fachwerk oder wie der Autor dieser Zeilen zu erspüren glaubt, vielleicht sogar an das Logo des KWM erinnern von Meyer Voggenreiter und Nicole Miller und schließlich der Aufbau ist – eine Ausstellung ist Teamarbeit. Und vieles von dem, was man im Kleinen von zu Hause kennt, wenn man sich ansatzweise mit Kunst oder auch nur einfach Wandschmuck in Form von Drucken im eigenen Heim schon einmal befasst hat.

Die Leihgaben zur Ausstellung kommen aus der ganzen Welt

Die Aura eines Werkes kann sehr mächtig sein, vor allem wenn etwas seinen Platz an der Wand fordert. Bilder, die nebeneinanderstehen oder auch nur nah beieinander hängen, treten ästhetisch in einen Dialog, sie tun etwas miteinander, in der Art wie wir sie wahrnehmen. Das können kleinste Nuancen sein. Natürlich wird zunächst die gesamte Ausstellung in Form eines Models an dem kleine Reproduktionen der Bilder angebracht werden, vorgeplant. Doch der magische Moment, wenn das eine oder andere Bild wirklich vor Ort ist, zunächst auf dem Boden drapiert wird und schließlich an die Wand kommt, verändert alles. Da kann noch einiges passieren. Eine Ausstellung lebt, und die feinen ästhetischen Fäden zwischen den Werken zu erspüren, ist hier unerlässlich.

Bei einer Ausstellung wie dieser werden auch zahlreiche Leihgaben – also Werke aus anderen Museen – gezeigt. So komplettieren Werke aus New York, Paris oder auch Zürich die Exponate aus dem eigenen Bestand des KWM. Es wurden auch beispielsweise Exponate von der Tretjakow-Galerie in Moskau ausgeliehen, etwa Natalja Gontscharowas „Komposition mit Pferden und Sirin-Vögeln“.

Das Aufhängen der Bilder bedarf geschulter und erfahrener Hände.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Bis es soweit kommt, dass diese Werke an der Wand des KWM hängen, passiert so einiges. Zunächst wird eine Anfrage an das Museum gestellt, wenn der Ausleihe nichts im Wege steht, muss garantiert werden, dass vor Ort in dem Museum die notwendigen Bedingungen für die Exponate bereitgestellt werden können. Viele Museen verlangen übrigens inzwischen auch eine Art Leihgebühr oder Bearbeitungsgebühr, denn so eine Ausleihe ist mit reichlich Aufwand verbunden. Übrigens: Auch das KWM denke darüber nach, zukünftig eine derartige Gebühr zu verlangen.

Kommen die Exponate gut verpackt in Schutz bietenden Holzkisten an, so werden sie nicht selten unter Anwesenheit der sogenannten Kuriere, die die Werke als Fachleute vom leihgebenden Museum begleiten, ausgepackt und begutachtet. Gibt es Transportschäden? Ist alles in Ordnung? Ist alles in Ordnung, so wird gemeinsam das Prozedere der Hängung in Angriff genommen; dann kann es auch passieren oder wird sogar mit großer Wahrscheinlichkeit, dass wertvollste Kunst kurzerhand auf dem Boden des KWMs liegt, um sich – bildlich gesprochen – schon einmal an seinen Platz zu gewöhnen. Wie Katia Baudin und Elina Knorpp uns mit strahlenden Augen erklären, verliert der Moment, wenn die Kunst schließlich vor Ort und bereit ist gehängt zu werden, selbst nach langjähriger professionellem Umgang mit wertvollen Exponaten nichts an seiner Faszination, vielleicht auch Magie. Originale haben nun mal eine Aura, selbst wenn diese weniger mystisch als ästhetisch ist.

Daria Manurcharova (l.) und Inna Solovova von der Tretjakow-Galerie aus Moskau, die einige Exponate zur Schau beigesteuert hat.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Am Tag nachdem die Tretjakow-Galerie seinen Teil der Ausstellung geliefert hatte, kündigt sich unter anderem Besuch aus Neuss an. Kuratorin Bettina Zeman vom Clemens Sels Museum hat ein besonders zerbrechliches Exponat, Malerei auf Glas im Gepäck. Als Kurierin war sie dabei, als das Werk ausgepackt wurde und nun schließlich darauf wartet, von behutsamen Händen an die Wand fixiert zu werden.

Geht man nur wenige Schritte weiter, so findet man Werke, die noch mit Papier abgehängt sind; fast wie ein scheuer Vogel, der kein Licht verträgt. Und in der Tat, erklärt uns Baudin, dass die Lichtverhältnisse für das empfindliche Papier noch zu hell seien. An anderer Stelle hingegen wird noch fleißig an Details gearbeitet. Podeste und dergleichen entstehen; übrigens alle handgemacht im Museum. Ein bisschen wie in einem Theater, wo jedes Rad, Schreiner, Schneider oder Technik und Co feinstens ineinandergreift. Dort vermutet man es; in einem Museum vielleicht weniger.

Wie alles dann fertig aussieht, kann man ab Sonntag, 10. November, bis zum 23. Februar auf sich wirken lassen. Es lohnt sich!